Rechnungen, die man dem Volke vorlegen wird. Die Berufung auf die Interessen der Verteidigung, der ruhigen Weiterentwicklung ist nun fallengelassen worden, mit offenem Visier tritt die Angriffspolitik, die Abenteuersucht, der Völkerraub in die Schranken.
Hier heißt es einzusetzen. Was wir brauchen, ist das gerade Gegenteil von alledem: ruhige innere Entwicklung, friedlichen Verkehr mit anderen Völkern, immer größere internationale Annäherung auf dem Gebiete der Kulturinteressen. Und noch ist es Zeit, unser politisches Dasein in seinem Abrutsch auf der schiefen Ebene der Weltpolitik aufzuhalten. Es ist unwahr, wenn die Regierung unsere jetzige internationale Lage bereits als bedroht, den Eintritt in die Schranken der internationalen Kämpfe als unabweisbar darstellt. Erst jetzt, erst mit dieser Vorlage soll eben der entscheidende Schritt getan werden: Der Hauptinhalt dieser Vorlage ist, wie der Reichskanzler erklärt hat, die Verdoppelung der Schlachtflotte und der großen Auslandsschiffe bei gleichzeitiger Streichung des ganzen Küstengeschwaders. Da ist also ein formeller Bruch mit der Politik der Verteidigung der Küsten und der Übergang zur Angriffspolitik auf hoher See!
Die gestern im Reichstage angezeigte Marinevorlage ist also nicht nur eine enorme Mehrbelastung des Volkes, nicht nur ein neuer Schritt in der Entwicklung des volksfeindlichen Militarismus, sie ist auch ein folgenschwerer, für die Geschichte Deutschlands höchst bedeutsamer Wendepunkt in unserer auswärtigen und inneren Politik.
Deutschland soll im internationalen Verkehr zum Hammer für andere Völker werden, und zu diesem Zwecke wird die Regierung mit ihren flottenpatriotischen Stützen aus den bürgerlichen Klassen zum Hammer für das arbeitende Volk.
Die Arbeiterklasse muß zeigen, daß sie nicht der geduldige Amboß ist, der auf sich Ketten schmieden läßt für das werktätige Volk.
Leipziger Volkszeitung,
Nr. 287 vom 12. Dezember 1899.