Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 649

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Staatssekretär des Auswärtigen, von Bülow, der Staatssekretär des Reichsmarineamts, Tirpitz, endlich der Staatssekretär des Reichsschatzamtes, v. Tiehlmann, das Wort, um die noch gar nicht vorliegende Vorlage zu verteidigen. Hier haben wir wieder einen Beweis, wie es den in letzter Zeit maßgebenden Kreisen mit der Flottenvorlage pressiert; das ist auch ein Stück der nervösen, sich überstürzenden, sprunghaften Politik des Zickzackkurses.

Wie dem auch sei, im Interesse der erfolgreichen Bekämpfung der neuesten Flottenpläne, im Interesse des Volkes haben wir allen Grund, uns über die so eilige amtliche Ankündigung der Marinevorlage zu freuen. Je früher die Beweisführung der offiziellen Träger der Weltmachtlaunen und der Wasserzukunftsträume vor die Öffentlichkeit tritt, um so rascher und gründlicher kann sie widerlegt und entlarvt werden. Je früher die Protestbewegung in den breiten Volkskreisen angefacht wird, um so rascher wird eventuell der neue Anschlag auf die materielle Lebenskraft und die ruhige kulturelle Entwicklung Deutschlands der Zuchthausvorlage in das Reich der Schatten folgen.

Das Hauptargument der Regierung ist, wie nach der hamburgischen Rede[1] vorauszusehen war, die weltpolitische Lage. Graf v. Bülow folgerte aus dieser Lage, daß wir auf dem einmal beschrittenen Wege der Weltpolitik weitergehen müßten. Im nächsten Jahrhundert werde Deutschland entweder Hammer oder Amboß sein, und damit ihm nicht die Rolle des Ambosses aufgezwungen wird, müßten die maritimen Machtmittel bedeutend verstärkt werden.

Hier hat der Staatssekretär des Auswärtigen unbewußt die gefährlichste Seite der gegenwärtigen Flottenpläne, den springenden Punkt der künftigen Flottenvorlage gezeigt, auf den das Geschützfeuer der Opposition, wenigstens von unserer Seite, gerichtet werden, auf den die ganze Kraft des Protestes der arbeitenden Volksmassen konzentriert werden muß.

„Wir müssen auf dem einmal beschrittenen Wege der Weltpolitik weitergehen!“ Aber das ist gerade die schiefe Ebene, auf der uns nichts als der Ruin erwartet!

Das ist gerade die Aussicht auf ganz unberechenbare, unbegrenzte, im buchstäblichen Sinne des Wortes uferlose und mit stets steigender Geschwindigkeit an uns herantretende Forderungen für den Land- und Wassermilitarismus! Deutschland soll im Völkerverkehr zum Hammer[2] werden – dies der kurze Sinn der langen Toastreden und der noch längeren

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[1] Am 18. Oktober 1899 hatte Wilhelm II. beim Stapellauf des Linienschiffes „Kaiser Karl der Große“ in Hamburg den Aufbau einer starken Kriegsflotte gefordert, um die Vormachtstellung Deutschlands verwirklichen zu können.

[2] In der Quelle: Amboß.