daß hier unmittelbar eine Lebensfrage unserer Agitation besonders in Oberschlesien, wo schon so ermutigende und erfreuliche Ergebnisse bei der letzten Reichstagswahl erzielt worden sind, auf dem Spiele steht. Noch sind wir, dank der staatserhaltenden Gesinnung der Lokalinhaber und der Pression der Polizei, nicht in der Lage, in Oberschlesien öffentliche Versammlungen in größerem Umfange abzuhalten. Somit sind wir noch nicht in die angenehme Lage gekommen, die originelle Versammlungspolitik des preußischen Ministeriums des Innern in größerem Maße am eigenen Leibe zu erproben. Allein es liegt auf der Hand, daß, sobald die Fortschritte unserer Agitation es uns ermöglichen, regelmäßig größere Versammlungen, und zwar in polnischer Sprache, der Nationalität der dortigen Arbeitermasse entsprechend, zu veranstalten, die obige antipolnische Praxis der preußischen Regierung als ein Mittel zur Hintertreibung der sozialdemokratischen Agitation eine große Rolle spielen wird. Und sollten wir größere und sichtbare Erfolge über kurz oder lang zu verzeichnen haben, dann ist auch die von Recke in Aussicht gestellte Revision des Versammlungsgesetzes durchaus nicht ausgeschlossen.

Auf diese Weise erfordern es nicht nur unsere allgemeinen freiheitlichen Grundsätze, nicht nur die Rücksicht auf die nationalistischen Strömungen in der polnischen Bevölkerung, sondern auch unsere Parteiinteressen im engeren Sinne, daß die Sozialdemokratie gegen die Polenpolitik der Regierung entschieden Front macht.

Wir hoffen, daß unsere Fraktionsredner diesmal unter den Beschwerdeführenden aus der Volksmasse, deren Anwälte sie im Reichstage sind, auch die polnischen Arbeiter nicht vergessen werden. Wir hoffen auch, daß das kräftige Wort der Sozialdemokratie einen anderen Effekt hervorrufen wird als das vaterlandsliebende Winseln der Krapülinskis und Waschlapskis aus der „Polen“-Fraktion.

Leipziger Volkszeitung,

Nr. 284 vom 8. Dezember 1899.