Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 64

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vor uns, was die separatistischen Bestrebungen zur Ohnmacht verurteilt, und die Interessen der Arbeiterbewegung gebieten uns, für die Vereinigung der Kräfte und nicht für ihre Zersplitterung in nationalen Kämpfen einzutreten. Bei der Frage der Erhebungen in der Türkei liegen dagegen die Verhältnisse anders: Die christlichen Länder werden durch nichts als Gewalt an die Türkei gebunden, sie haben keine Arbeiterbewegung, sie fallen ab kraft einer natürlichen sozialen Entwicklung oder vielmehr Zersetzung, die freiheitlichen Bestrebungen können hier also nur in der Form eines nationalen Kampfes zur Geltung kommen, deshalb kann und darf unsere Parteinahme auch keinem Zweifel unterliegen. Es kommt uns nicht an auf die Aufstellung praktischer Forderungen für die Armenier, auf die Bestimmung der politischen Formen, welche hier anzustreben sind; da wären die Bestrebungen Armeniens selbst ebenso wie seine inneren und die internationalen Verhältnisse zu berücksichtigen. Worum es sich gegebenenfalls für uns handelt, ist vor allem der allgemeine Standpunkt, und dieser gebietet uns, für die Aufständischen und nicht gegen sie aufzutreten.

Wie steht es aber mit den praktischen Interessen der Sozialdemokratie? Geraten wir nicht in einen Widerspruch mit diesen durch die obige prinzipielle Stellungnahme? Wir glauben das gerade Gegenteil in drei Punkten nachweisen zu können.

Erstens bedeutet die Befreiung der christlichen Länder von der Türkei einen Fortschritt in dem internationalen politischen Leben. Die Existenz einer künstlichen Position wie die der heutigen Türkei, wo so viele Interessen der kapitalistischen Welt zusammenlaufen, wirkt auf die allgemeine politische Entwicklung hemmend und verlangsamend. Die orientalische Frage ebenso wie andererseits die elsaß-lothringische zwingen die europäischen Mächte, vorzugsweise eine List- und Schleichpolitik zu führen, die wirklichen Interessen unter verlogenen Namen zu verschleiern und auf Umwegen zu erreichen zu suchen. Mit der Befreiung der christlichen Nationen von der Türkei wird die bürgerliche Politik von einem ihrer letzten idealistischen Fetzen – „der Beschirmung der Christen“ – entblößt und auf den wahren Inhalt, auf das nackte Raubinteresse reduziert werden. Das ist unserer Sache ebenso förderlich wie die Reduzierung allerlei „liberaler“ und „freisinniger“ Programme der bürgerlichen Parteien auf einfache Geldbeutelinteressen.

Zweitens ergibt sich aus den früheren Artikeln, daß die Ablösung der christlichen Länder von der Türkei eine fortschrittliche Erscheinung, ein Werk der sozialen Entwicklung ist, denn diese Ablösung ist der einzige Weg, auf dem die türkischen Länder zu höheren Formen des sozialen

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