Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 618

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Deutschlands zum anderen hallte, muß sich am Tage nach der Schlacht in den Ruf verwandeln: Hinein in die Gewerkschaften!

Der jetzige Augenblick ist der günstigste für die gewerkschaftliche Agitation und Organisation, der sich denken läßt.

Es kommt noch ein weiteres hinzu. Die wirtschaftliche Konjunktur in Deutschland und auf dem Weltmarkte hat sich noch nicht geändert. Noch dauert die glänzende Zeit des industriellen Aufschwunges, des Goldregens kapitalistischer Gewinne an. Liefert also das politische Moment die ausgezeichnetste Saat für die gewerkschaftliche Agitation, so bereitet andererseits die wirtschaftliche Konjunktur den fruchtbarsten Boden für ihre Aufnahme.

Das Zusammentreffen dieser beiden Momente schafft für die Gewerkschaftsbewegung Bedingungen, wie sie sie günstiger wohl noch nie erlebt hat.

Es liegt an den Arbeitern selbst, die Lage auszunutzen. Sie haben Pulver, sie haben Blei, mögen sie ans Werk gehen. Schlachten zu schlagen, dazu gehört viel, aber Siege auszunutzen, dazu gehört noch mehr, allein nicht mehr, als die deutsche Arbeiterklasse kann, wenn sie will. Die Regierung hat sich ihre parlamentarische Niederlage geholt, aber wir werden erst dann volle Ursache haben, darüber zu triumphieren, wenn wir das politische Jena[1]. der Regierung im Reichstag in ein wirtschaftliches Jena des Kapitals im Kampfe mit den Gewerkschaften verwandelt sehen. Mögen diejenigen, die mit der Zuchthausvorlage Wind gesät haben, einen Sturm der Arbeiterkoalitionen ernten!

Leipziger Volkszeitung,

Nr. 273 vom 25. November 1899.

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[1] In der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt wurden am 14. Oktober 1806 die zwei Hauptarmeen des reaktionären preußischen Staates unmittelbar nach Beginn des Feldzuges von den Truppen Napoleons I. geschlagen.