Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 611

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an Solidarität, durch die Streikbrecher verlorengingen. Die Streikbrecher sind es bis jetzt gewesen, die oft, nachdem sie erst längere Zeit sich von den Gewerkschaften unterstützen ließen, ihnen in den Rücken fallen und die unzähligen Entbehrungen, die schweren Opfer, den ganzen Kraftaufwand der Kämpfenden einfach zunichte machen. Die Streikbrecher „schützen“ bedeutet also nichts anderes, als die Koalitionen dem Terrorismus der Streikbrecher, die Organisierten, Disziplinierten, Aufopfernden dem Terrorismus der Unorganisierten, Disziplinlosen, Selbstsüchtigen preisgeben. Die „Arbeitswilligen“ schützen heißt nichts anderes, als jeden Lohnkampf fernerhin unmöglich, jeden Streik zu einer von vornherein verlorenen Schlacht machen.

Aber die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung lehrt uns wiederum, daß ohne Lohnkampf, ohne Streik die deutschen Arbeiter nicht das geringste erreichen können, daß jeder andere Weg zur Besserung ihrer materiellen Lage, der Weg der Verhandlungen, des friedlichen Abkommens, ihnen durch die Brutalität und den Absolutismus der Unternehmer einfach abgeschnitten wird. Der Schutz der Streikbrecher, der die Lohnkämpfe unterbinden soll, ist somit direkt darauf gerichtet, den Arbeitern jede fernere Hebung ihrer Lebenslage, jede Abwehr gegen den Druck des Kapitals unmöglich zu machen.

Und so bildet die Zuchthausvorlage bei all der äußeren Bescheidenheit ihrer Absichten für die Arbeiterbewegung eine Kundgebung von epochemachender Bedeutung. Es ist dies ein Versuch des herrschenden Kapitals, den bereits einige Leitersprossen hinauf zum Licht und zur Luft emporgeklommenen Arbeiter wieder und für immer in den dunklen Abgrund des Elends hinabzustürzen; ein Versuch, die Wurzeln selbst der Emanzipationsbewegung der Arbeiterklasse auszurotten, der Herrschaft des Kapitals, seinem freien Schalten und Walten mit der Existenz des Arbeiters jede Schranke zu nehmen. Die Schlacht um das Koalitionsrecht steht vor der Türe, die Arbeiterklasse und ihre Vertreter wissen, was auf dem Spiele steht.

Wir haben im obigen einen Teil des reichhaltigen Materials der Schrift „Die Hamburger Gewerkschaften“ dem Leser vorgeführt. Das Buch bietet aber noch für manche mit dem Gewerkschaftswesen verbundenen Fragen Belege in Hülle und Fülle und sollte von jedem ernsten Sozialpolitiker gründlich studiert werden. Vor allem wäre es aber zu wünschen, daß das Vorgehen der Hamburger Gewerkschaften auf die organisierte Arbeiterschaft anderer Industriezentren möglichst anregend wirkt und zur Herausgabe gleich emsig und gewissenhaft zusammengestellter Einzel-

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