Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 575

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Für mich und auch für die Partei heißt es: Hic Rhodus, hic salta! Hier soll Schippel Rede und Antwort stehen.

Genosse Geyer hat gesagt, wenn wir auf unsere bisherige prinzipielle Gegnerschaft gegen den Militarismus verzichten, so würde das unsern Kampf sehr in die Länge ziehen. Nein, ich glaube, wenn wir auf den Kampf gegen den Militarismus in der bisherigen Form verzichten, dann können wir überhaupt einpacken, dann hören wir überhaupt auf, eine sozialdemokratische Partei zu sein. („Sehr wahr!“) Der Militarismus ist der konkreteste und wichtigste Ausdruck des kapitalistischen Klassenstaates, und wenn wir den Militarismus nicht bekämpfen, dann ist unser Kampf gegen den kapitalistischen Staat nichts als eine leere Phrase. (Beifall.) Ich will hier nicht auf den Ton der Schippelschen Artikel[1] und auch nicht auf das Pseudonym eingehen. Ich glaube, er ist dafür schon genügend durch den maliziösen Druckfehlerteufel getroffen, denn, wie Sie bereits bemerkt haben werden, heißt es in dem Antrag Mergner, der seinen Ausschluß verlangt, Schippel habe sich gegen die Erziehung zur allgemeinen Wahrhaftigkeit schwer vergangen. (Heiterkeit.) Es soll natürlich „Wehrhaftigkeit“ heißen. Ich will auch nicht auf die technische Seite der Milizfrage eingehen. Schippel sagt, Kautsky verstehe in diesen Dingen nicht einmal das Abc. Als ich das hörte, erschrak ich furchtbar, denn wie muß es um eine Partei bestellt sein, deren theoretischer Vertreter von einer der wichtigsten praktischen und theoretischen Fragen nicht einmal das Abc versteht! („Sehr gut!“) Wenn eine so hohe Bildung nötig ist, um die Milizforderung zu begreifen, daß nicht einmal ein Kautsky sich dazu emporschwingen kann, wie soll dann die Masse der Proletarier dies Postulat verteidigen! Ich betrachte eben die ganzen breiten Erörterungen Schippels über die technischen Fragen als ein Ablenkungsmittel, um unsere Aufmerksamkeit von der wichtigsten, der politischen Seite abzuwenden. Wir brauchen uns auf technische Einzelheiten schon deshalb nicht einzulassen, weil uns keine konkrete Vorlage zur Einführung der Miliz beschäftigt. Wenn wir eine solche Vorlage haben, würden wir eine Neuner-Kommission wählen, die darüber zu beraten hätte. (Heiterkeit.) Heute gilt es für uns, das Postulat in seiner allgemeinen Form aufzustellen und besonders auf seine politische Seite Nachdruck zu legen. Mit dem Argument, daß der Verteidigungskrieg sich notwendig in einen Angriffskrieg verwandelt und wir dazu stehendes Heer brauchen, hat sich Schippel wieder auf den Boden der üblichen Argumentation der deutschen Regierung gestellt, die den Angriff bloß als eine Form der Verteidigung hinstellt. Es würde Schippel

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[1] Die folgenden Artikel sind erschienen in der „Leipziger Volkszeitung“, Nr. 42–44 und 47 vom 20.–22. und 25. Februar 1899. als Erwiderung auf die Aufsätze von Max Scbippel: den mit Isegrim gezeichneten Artikel „War Friedrich Engels milizgläubisch?“ in den „Sozialistischen Monatsheften“ vom November 1898 und den in Beantwortung der Kautskyschen Replik (Karl Kautsky: Friedrich Engels und das Milizsystem. In: Die Neue Zeit (Stuttgart), 17. 3g. 1898/99, Erster Band, S. 335 bis 342.) auf den Isegrim-Artikel in der „Neuen Zeit“ mit Schippels eigenem Namen gezeichneten Aufsatz: Friedrich Engels und das Milizsystem. In: Neue Zeit, 1898/99 Nr. 19 u. 20.

[Der Isegrim-Artikel, der die Debatte hervorgerufen hatte, endete bekanntlich mit den Worten: Doch auch für die Partei wird es schließlich (in bezug auf die Milizforderung) heißen: „Fort mit dem Brei – Ich brauch ihn nicht! Aus Bappe schmied ich kein Schwert!“

Um den Artikel IV verständlich zu machen, schalten wir die ihm in derselben Nummer der „Leipziger Volkszeitung“ vorausgegangene Antwort Schippels ein.] [Fußnote im Original]