Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 498

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mit dem Zentrum[1] so viel und nach so verschiedenen Richtungen gewonnen, daß unsere gewöhnlichen Reichstagswahlen und überhaupt alle bisherigen Wahlen ohne Kompromisse sich daneben recht kläglich ausnehmen.

Man bedenke: Nach Parvus haben wir uns den Weg geschaffen, um dem Zentrum die Wähler zu nehmen, nach einem „beteiligten“ bayerischen Genossen haben wir die politische Herrschaft des Zentrums in Bayern untergraben, nach Gen. Ehrhart wurde die politische Herrschaft des Liberalismus zertrümmert, nach Gen. Vollmar wurde obendrein dem jetzigen Landtagswahlrecht ein Todesstoß versetzt. Alles dies, ganz abgesehen von dem enormen Zuwachs der sozialdemokratischen Stimmen und der starken Vergrößerung der sozialdemokratischen Fraktion.

Es sind dies so viele und so vielseitige Erfolge, daß man sich unwillkürlich sofort fragt, ob denn das nicht etwas zu viel des Guten sei, namentlich, wenn ein glänzendes Ergebnis dem anderen widerspricht.

In der Tat, einem Nichtbeteiligten könnte es nach der bisherigen Auseinandersetzung vor allem etwas unklar sein, weshalb denn eigentlich für das Zentrum gestimmt werden mußte. Nach Parvus deshalb, weil die Reaktion des Zentrums veralteter, d. h., das Zentrum reaktionärer sei als die Liberalen. Nach der „Münchener Post“ umgekehrt, weil die Liberalen reaktionärer seien als das Zentrum.

Ebenso unklar ist die zweite Frage, gegen welche Partei denn eigentlich die sozialdemokratische Abmachung gerichtet war? Nach der Versicherung von einer Seite sollte der politischen Herrschaft des Liberalismus ein Ende gemacht werden. Nach der anderen Lesart aber war der Zweck der schlauen Politik gerade umgekehrt: das Zentrum dadurch, daß es nun die Verantwortlichkeit für die Politik des Landtags übernehmen muß, zu kompromittieren und politisch zu ruinieren.

Zu allen übrigen Argumenten kann sich der Beobachter in gleicher Weise selbst das Gegenteil hinzudenken.

Die Sozialdemokraten sollen sich durch die Wahlabmachung in den Zentrumsmassen Bahn gebrochen haben. Die Tatsache, daß das Zentrum selbst mit der Sozialdemokratie eine Wahlabmachung getroffen hat, soll die Wählermassen überzeugen, daß der Teufel Sozialdemokratie nicht so schrecklich sei, wie ihn das Zentrum an die Wand malte. Aber dieses Argument ist zweischneidig und läßt sich ebensogut gegen die Sozialdemo-

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[1] In den Wahlkreisen München I und Rheinpfalz hatten die Sozialdemokraten und das Zentrum eine gemeinsame Liste ihrer Wahlmänner für die Wahlen zum bayrischen Landtag am 17. Juli 1899 aufgestellt. Zwar konnte die Sozialdemokratie die Zahl ihrer Mandate von 5 auf 11 erhöhen, dem Zentrum jedoch brachte dieses Bündnis die absolute Mehrheit im Landtag.