Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 486

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namentlich, wo es sich um die Freiheit des Landes oder um die demokratischen Errungenschaften, wie die Republik, handelt, während die bürgerliche Regierung selbst bereits zu kompromittiert und zu desorganisiert ist, um ohne die Unterstützung der Arbeitervertreter das Volk zur Gefolgschaft zu veranlassen. In einem solchen Fall dürften sich die Vertreter des arbeitenden Volkes selbstverständlich einer abstrakten Prinzipienreiterei zuliebe vor der Verteidigung der gemeinsamen Sache nicht drücken. Allein auch dann müßte die Teilnahme der Sozialdemokraten an der Regierung in Formen geschehen, die weder die Bourgeoisie noch das Volk über den vorübergehenden Charakter und den ausschließlichen Zweck ihres Vorgehens im geringsten Zweifel lassen könnten. Mit anderen Worten, der Eintritt der Sozialisten in die Regierung dürfte auch dann nicht auf die Solidarität mit ihrer Tätigkeit und ihrem Bestand im ganzen hinauslaufen. Ob gerade die obige Situation jetzt in Frankreich geschaffen war, erscheint deshalb zweifelhaft, weil die sozialistischen Parteien von vornherein und ohne an den Regierungsanteil zu denken, sich bereit erklärt hatten, eine jede aufrichtig republikanische Regierung zu unterstützen, während sie gerade umgekehrt durch den Eintritt Millerands in das Ministerium, der jedenfalls ohne jede Ermächtigung seitens seiner Gesinnungsgenossen geschehen ist, von dieser Unterstützung zum Teil abgeschreckt werden. Jedenfalls kam es uns nicht auf die Beurteilung des Spezialfalles im Kabinett Waldeck-Rousseau, sondern auf die Ableitung einer allgemeinen Richtschnur aus unseren Grundsätzen an. Von diesem Standpunkte erscheint der Eintritt von Sozialisten in bürgerliche Regierungen als ein Experiment, das nur zum Schaden des Klassenkampfes ausfallen kann.

In der bürgerlichen Gesellschaft ist der Sozialdemokratie dem Wesen nach die Rolle einer oppositionellen Partei vorgezeichnet, als regierende darf sie nur auf den Trümmern des bürgerlichen Staates auftreten.

Leipziger Volkszeitung,
Nr. 153 vom 6. Juli 1899.

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