Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 477

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/477

Vorzüge. Mit vollendeter Selbstachtung und Integrität verbanden sie Korrektheit des Ausdrucks, durchaus vorwurfsfreies Verhalten im Privatleben und eine bemerkenswerte Abwesenheit von allem, was an das Schankzimmer erinnert.“[1]

Es ist nur eine logische Folge dieser staatsmännischen individualistischen Politik, daß ebenso wie der rein ökonomische auch der Kampf der Trade-Unions um die Arbeiterschutzgesetze nicht einheitlich durch die Gesamtheit der Gewerkschaften und zugunsten der ganzen Arbeiterklasse, wie in Deutschland, in Frankreich und überall, sondern in zersplitterten Gruppen, von jeder Gewerkschaft auf eigene Faust, manchmal in unmittelbarem Gegensatz zueinander, geführt wurde (vergleiche das Vorgehen der Durhamer und Northumberlander Vertreter im Parlament gegen die Bestrebungen der Bergarbeiterföderation[2] [3]). Das Fehlen des gemeinsamen ökonomischen und politischen Bodens, des Klassenstandpunkts, die Gegensätze zwischen großen und kleinen, qualifizierten und unqualifizierten, alten und neuen Gewerkschaften hat auch ihre gemeinsame Aktion: ihre allgemeinen Kongresse und ihren parlamentarischen Ausschuß, zur Fruchtlosigkeit verurteilt und zum Verfall gebracht.[4] „Der Kongreß, auf dem viele auseinandergehende und sogar einander widerstrebende Interessen vertreten sind, kann niemals mehr als ein loser Bund sein.“[5]

Zu den beiden bezeichneten Momenten: dem stetigen Aufschwung der Industrie und dem bürgerlichen Boden der Arbeiterbewegung, tritt in logischem Zusammenhang die dritte Eigentümlichkeit der englischen Verhältnisse hinzu: die Arbeiterfreundlichkeit der öffentlichen Meinung. Nicht „das dem Menschen angeborene Mitleid“ und nicht die Beschäftigung der größeren Portion des englischen Kapitals im Auslande, wie es oft behauptet wird, sind es, die das Wohlwollen und die tatkräftige Unterstützung der öffentlichen Meinung der Gewerkschaftsbewegung in England haben zuteil werden lassen.

Nächste Seite »



[1] Ebenda, S. 194. [Fußnote im Original]

[2] Webb: Theorie und Praxis der englischen Gewerkschaften, I, S. 234. [Fußnote im Original]

[3] Die Bergarbeiterföderation war eine aktive politische Organisation, die die Interessen der Bergarbeiter gegenüber der Regierung verteidigte. Der Einfluß der Grafschaftsvereine von Northumberland und Durham beschränkte sich dagegen auf drei Vertreter im Unterhaus, die sich der Einführung des 8-Stunden-Arbeitstages und einer Ausdehnung der gesetzlichen Regulierung des Gewerbes widersetzten.

[4] Ein Beweis aus neuester Zeit ist der auf dem Cardiffer Gewerkschaftskongreß eingeführte Abstimmungsmodus, der „ganz offenbar darauf hinausläuft, die gesamte Macht in die Hände der Beamten“, und zwar der Beamten der wenigen alten und großen Gewerkschaften zu legen. (a. a. O., S. 248.) [Fußnote im Original]

[5] Ebenda.