Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 449

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pflanzen wollen – viel schlimmer wie der heutige Militarismus. Es gibt Gegner der Miliz, die jeder und vollends einer derartigen Oberwucherung der militärischen Eingriffe und Anforderungen todfeind sind.“[1]

Aus der Tatsache, daß die bürgerlichen Politiker in diesen wie in allen Fragen keine prinzipielle Stellung einnehmen, daß sie Gelegenheitspolitik treiben, folgert der Sozialdemokrat Schippel auch für sich das Recht und die Notwendigkeit, den inneren reaktionären Kern des Schutzzolls und des Militarismus resp. die fortschrittliche Bedeutung des Freihandels und der Miliz zu verkennen, das heißt, gleichfalls keine prinzipielle Stellung zu den beiden Fragen einzunehmen.

Zweitens sehen wir hier wie dort gleichzeitig mit der Opposition gegen einzelne Übel der Schutzzollpolitik resp. des Militarismus die entschiedene Weigerung, beide Erscheinungen als solche im ganzen zu bekämpfen. In Stuttgart hörten wir im Schippelschen Referat von der Notwendigkeit, gegen einzelne übermäßige Zölle zu kämpfen, zugleich aber die Warnung „sich festzulegen“, „sich die Hände zu binden“, d. h., den Schutzzoll immer und überall zu bekämpfen[2]. Jetzt hören wir, daß Schippel wohl die „parlamentarische und agitatorische Bekämpfung konkreter militärischer Forderungen“[3] (Hervorhebung – R. L.) gelten läßt, daß er aber davor warnt, „rein äußerliche Zufälligkeiten und sehr nebensächliche, freilich auch sehr auffällige Rückwirkungen (des Militarismus – R. L.) auf die übrigen gesellschaftlichen Gebiete für sein Wesen und seinen Kern zu nehmen“[4].

Endlich drittens, dies die Grundlage der beiden obigen Standpunkte, hier wie dort die ausschließliche Abschätzung der Erscheinung vom Standpunkte der vorherigen bürgerlichen Entwicklung, d. h. von der historisch bedingten fortschrittlichen Seite, und die völlige Nichtbeachtung der weiteren bevorstehenden Entwicklung und im Zusammenhang damit auch der reaktionären Seite der behandelten Erscheinungen. Der Schutzzoll ist für Schippel immer noch das, was er zu Zeiten des seligen Friedrich List vor mehr als einem halben Jahrhundert war: der große Fortschritt über die mittelalterlich-feudale innere wirtschaftliche Zersplitterung Deutschlands hinaus. Daß heute bereits der allgemeine Freihandel denselben notwendigen Schritt weiter über die innere wirtschaftliche Abgrenzung der eins

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[1] Neue Zeit, Nr. 19, S. 580–581. [Fußnote im Original]

[2] 2. Auflage: sich ja nicht „festzulegen“, sich nicht „die Hände zu binden“, d. h. den Schutzzoll nicht immer und überall zu bekämpfen.

[3] Sozialistische Monatshefte, Novemberheft, S. 495. [Fußnote im Original]

[4] Neue Zeit, Nr. 19, S. 581. [Fußnote im Original]