tate des Kampfes, die Sozialreformen zu ermöglichen. Der unversöhnliche, schroffe Klassenstandpunkt, der nur im Hinblick auf eine angestrebte politische Machteroberung Sinn hat, wird immer mehr zu einer negativen Potenz[1], sobald unmittelbare praktische Erfolge den Hauptzweck bilden. Der nächste Schritt ist also eine Kompensationspolitik und eine konziliante[2], staatsmännisch kluge Haltung. Die Bewegung kann aber auch dabei nicht in einem steten Gleichgewicht verharren[3]. Denn da die Sozialreform einmal in der kapitalistischen Welt eine hohle Nuß ist und allezeit bleibt, mag man eine Taktik anwenden, welche man will, so ist der nächste logische Schritt die Enttäuschung auch in der Sozialreform, d. h. der ruhige Hafen, wo nun[4] Schmoller und Co.[5] vor Anker gegangen sind, die ja auch auf sozialreformerischen Gewässern durchstudierten die groß und kleine Welt, um schließlich alles gehn zu lassen, wie´s Gott gefällt[6] Der Sozialismus wohnt also dem alltäglichen Kampfe der Arbeiterklasse durchaus nicht als Tendenz inne, er wohnt inne nur hier den immer mehr sich zuspitzenden objektiven Widersprüchen der kapitalistischen Wirtschaft, dort der subjektiven Erkenntnis der Arbeiterklasse[7] von der Unerläßlichkeit ihrer Aufhebung durch eine soziale Umwälzung. Leugnet man das eine und verwirft man das andere, wie Bernstein in seiner Theorie[8] tut, dann reduziert sich die Bewegung[9] zunächst auf simple Gewerkvereinlerei und
[1] 2. Auflage: zu einem bloßen Hindernis.
[2] 2. Auflage: eine „Kompensationspolitik“ – auf gut deutsch: eine Kuhhandelspolitik – und eine versöhnliche.
[3] 2. Auflage: nicht lange stehen bleiben.
[4] 2. Auflage: eingefügt „die Professoren“.
[5] Gemeint sind Gustav Schmoller, Adolph Wagner und Lujo Brentano als die führenden Vertreter des Kathedersozialismus (Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstand an deutschen Universitäten eine Richtung in der Sozialpolitik, die versuchte, die Arbeiterschaft durch Reformvorschläge und sozialpolitische Maßnahmen vom Klassenkampf abzuhalten.), die bürgerlich-liberale Reformvorschläge als sozialistisch propagierten, mit dem Ziel, dem Einfluß der Sozialdemokratie entgegenzuwirken und den Marxismus ideologisch zu bekämpfen.
[6] 2. Auflage, Fußnote: Im Jahre 1872 haben die Professoren Wagner, Schmoller, Brentano und andere in Eisenach einen Kongreß abgehalten, auf dem sie die Einführung der Sozialreformen zum Schutze der Arbeiterklasse mit großem Lärm und viel Aufsehen als ihr Ziel proklamierten. Dieselben von dem Liberalen Oppenheim ironisch als „Kathedersozialisten“ bezeichneten Herren haben gleich darauf den „Verein für Sozialreform“ gegründet. Schon wenige Jahre später, als sich der Kampf gegen die Sozialdemokratie verschärfte, stimmten die Leuchten des „Kathedersozialismus“ als Reichstagsabgeordnete für die Verlängerung des Sozialistengesetzes. Sonst besteht die ganze Tätigkeit des Vereins in alljährlichen Generalversammlungen, auf denen über verschiedene Themata einige professorale Referate vorgelesen werden, außerdem sind über 100 dickleibige Bände über ökonomische Fragen von demselben Verein herausgegeben worden. Der Verein hat auch zuletzt selbst die Sozialreform aufgegeben und befaßt sich mit dem Thema der Krisen, Kartelle u. dgl.
[7] 2. Auflage: Der Sozialismus erfolgt also aus dem alltäglichen Kampfe der Arbeiterklasse durchaus nicht von selbst und unter allen Umständen. Er ergibt sich nur aus den immer mehr sich zuspitzenden Widersprüchen der kapitalistischen Wirtschaft und aus der Erkenntnis der Arbeiterklasse.
[8] 2. Auflage: wie es der Revisionismus.
[9] 2. Auflage: Arbeiterbewegung.