Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 36

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Entwicklung der österreichischen Partei in ihrer Gesamtheit und die sozialpatriotischen separatistischen Tendenzen der galizischen Organisation in einem direkten Widerspruch zueinander. Die Stellung der galizischen Sozialisten verwandelt sich dadurch notwendig in ein Sitzen auf zwei Stühlen, wie schon ihre Zustimmung zu den Beschlüssen des Parteitags in Prag und die Annahme eines dem Charakter derselben schroff zuwiderlaufenden Maibeschlusses auf der Landeskonferenz ein solches Sitzen darstellt. Die schließliche Lage derer, die auf zwei Stühlen sitzen wollen, wenn die Stühle immer weiter auseinanderrutschen, ist leicht abzusehen.

Im Interesse der polnischen Bewegung liegt es also, allen diesen nationalistischen Schwankungen ein Ende zu machen. Ein materieller Boden zur Aufstellung eines spezifisch polnischen Arbeiterprogramms existiert in Deutschland und Österreich nicht, auch die nationalen Verfolgungen in Deutschland können keinen solchen abgeben. Im Gegenteil: Der einzige Weg, für alle Interessen des polnischen Arbeiters erfolgreich zu kämpfen, liegt für die polnischen Sozialisten darin, daß sie sich vollständig auf den Boden des gemeinsamen politischen Programms mit der deutschen resp. österreichischen Sozialdemokratie stellen und, die vorhandenen Staatsgrenzen als eine geschichtlich gegebene Tatsache hinnehmend, gänzlich auf die Utopie verzichten, durch die Kräfte des Proletariats einen polnischen Klassenstaat zu errichten. Dadurch nur können sie ihrerseits den Moment beschleunigen, wo der endgültige Sieg des Proletariats auch die polnische Nation gänzlich befreien wird.[1]

Die Neue Zeit (Stuttgart),

14. Jg. 1895/96, Zweiter Band,

I u. II: S. 176-181,

III u. IV: S. 206-216.

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[1] Nachdem der obige Artikel geschrieben war, ist uns in dem allemanistischen Organ „Le Parti ouvrier“ in Paris der Entwurf einer Resolution zu Gesicht gekommen, die dem Internationalen Kongreß in London, offenbar von sozialpatriotischer Seite, unterbreitet werden soll und die die Wiederherstellung Polens im Interesse des Proletariats für notwendig erklärt. Diese Resolution bat offenbar Daszyński im Auge gehabt, als er auf dem Prager Kongreß einen „von den Polen gegen den Zarismus eingebrachten Protest“ erwähnte. Durch eine Sanktion des internationalen Proletariats sollen somit die polnischen Parteien zur entschiedenen Aufnahme der sozialpatriotischen Forderung in ihr politisches Programm aufgemuntert werden. Angesichts dessen erscheint die kritische Beleuchtung dieses Programms vom sozialdemokratischen Standpunkt um so zeitgemäßer. [Fußnote im Original]