Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 357

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Name von Marx in einer langen Liste anderer „jüngster Ökonomen“ flüchtig genannt, auf seine Lehre selbst wird meistens gar nicht eingegangen. Um so interessanter erscheint die kürzlich in Frankreich herausgegebene neue Geschichte der politischen Ökonomie, in der ein ganzes Drittel dem Umfange nach dem Sozialismus gewidmet und wo speziell die Lehre von Marx einer eingehenden Analyse unterzogen ist.

Allerdings, wollte man aus dem verhältnismäßig großen Raum, der von dem französischen Professor den sozialistischen Theorien gewidmet ist, auf sein Verständnis für diese Theorien schließen, so würde man sich gründlich irren. Wir sind ja in Deutschland durch die Kathederweisheit in sozialen Dingen durchaus nicht verwöhnt; die Ignoranz in bezug auf die Gesetze der gesellschaftlichen Wirtschaft im allgemeinen und speziell das haarsträubende Mißverständnis in bezug auf die Lehre des wissenschaftlichen Sozialismus sind ja bereits bei den deutschen Professoren berufsmäßig geworden. Allein es stellt sich heraus, daß ihnen die französischen Amtsbrüder in all diesen Eigenschaften würdig die Waage halten. Die Grundlage, auf der die Blüte der bürgerlichen offiziellen Ignoranz in ökonomischen Dingen gedeiht, ist eben eine allgemeine, sie liegt nicht in Deutschland oder in Frankreich, sondern in dem jetzigen Stadium der ganzen bürgerlichen Entwicklung. Der Unterschied wäre nur der, daß, während der deutsche Professorenquatsch sich in dunklen und gelahrten Redensarten gefällt, der französische wenigstens elegant in der Form und leicht genießbar – etwa wie Schlagsahne – ist. Leider macht nur diese spezifisch französisch-liebenswürdige Art, den Unsinn vorzutragen, bei der Besprechung und Kritik eines Marx einen ganz besonders drolligen Eindruck.

„Marx ist ein weitschweifiger. Schriftsteller, dessen scheinbare Tiefe oft nichts als eine Illusion der Dunkelheit ist“, sagt im Eingang zu seiner Marx-Kritik der französische Professor, „nachdem der dritte Band des ‚Kapitals‘ im Jahre 1897 erschienen ist und nichts als einfache Wiederholungen des ersten Bandes darstellt.“ Der Arme hat sich offenbar an den dritten Band des „weitschweifigen“ Marx gar nicht herangewagt und an der Marxschen Profit-, Zins- und Rententheorie nicht einmal gerochen. Das hindert ihn aber nicht im mindesten, die Marxsche Lehre mit sehr ernstem Gesicht vorzutragen und zu vernichten.

Der Grundstein des wissenschaftlichen Sozialismus, sagt Rambaud mit Recht, ist die Werttheorie von Marx, wonach die Arbeit der einzige wertbildende Faktor ist. „Und der Schluß daraus ist (angeblich bei Marx!), daß der ganze Wert oder Preis der produzierten Waren dem Arbeiter

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