Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 332

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4 967,69 Millionen Mark betragen, auf je 100 Einwohner entfallen 23,4 Bücher, auf ein Kassenbuch durchschnittlich 649,97 Mark.

So glänzend sieht das summarische Bild des „Volksreichtums“ in Deutschland im Jahre 1898 aus. Jetzt wollen wir aber die Frage stellen: Wie verteilt sich dieser enorme Reichtum auf verschiedene Volksklassen, wem ist der kolossale wirtschaftliche Aufschwung des verflossenen Jahres, das Wachstum der Industrie und des Handels zugute gekommen? Darauf geben uns folgende Zahlen Antwort. Das Einkommen aus Handel ist 1898 um 100,1 Millionen Mark gestiegen; das Einkommen aus „gewinnbringender Beschäftigung“, wie die Steuerklassifikation sich ausdrückt, um 89,4 Millionen Mark; das Einkommen aus Kapitalvermögen um 53,7 Millionen Mark; das aus Grundvermögen um 31,2 Millionen Mark. Gestiegen sind also in verblüffender Weise die Einkommen der Unternehmer, Grundeigentümer, Kaufleute, Kapitalisten. Das Einkommen der Mittel- und Großbourgeois (mit über 3 000 M jährlich) ist gerade in den letzten Jahren so rasch gestiegen, daß, während es von 1892 bis 1895 noch nicht um 44 Millionen Mark zunahm, das Wachstum seit 1895 bis 1898 über 568 Millionen Mark beträgt!

Vielleicht erstreckt sich aber die Steigerung des Wohlstands im letzten Jahr auch auf das arbeitende Volk, worauf zum Teil wenigstens der Bestand der Sparkasseneinlagen hinzuweisen scheint? Sieht man sich die Statistik“ der Sparkassen näher an, so erweist sich diese Vermutung als ein Trugschluß. Freilich stellen die Bücher mit weniger als 150 M mehr als 44% und die mit 150-600 M mehr als 29% der gesamten Bücherzahl dar, aber daneben finden wir „Sparbücher“ von 3 000 bis 10 000 M, die fast 31/2% ausmachen, und auch noch beinahe 0,5% „Sparbücher“ mit mehr als 10 000 Mark! Diese zwei letzten Kategorien, die gewiß nicht auf die Arbeiter, sondern auf Kapitalisten entfallen, die, durch die verhältnismäßig hohe Verzinsung in den Sparkassen angelockt, diesen ihre Kapitalien oder einen Teil der Kapitalien anvertrauen, machen zusammen beinahe die Hälfte des ganzen Kassenvermögens aus: Auch diese Statistik zeigt also den gesteigerten Wohlstand der Bourgeoisie und nicht des Proletariats.

Wenden wir uns aber direkt dem Stand der Löhne im letzten Jahre zu, so suchen wir vergebens nach einer entfernt annähernden Steigerung, wie sie die Reichtümer der Kapitalistenklasse aufweisen. Die Löhne sind allgemein nur in kaum nennenswertem Maße, in manchen Produktionszweigen gar nicht gestiegen. Am meisten von allen Industrien beteiligte sich an dem Aufschwung des verflossenen Jahres die Bergwerksindustrie. Die

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