Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 324

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päischen Regierungen nach der Newastadt zu einer – Abrüstungskomödie[1] einlädt.

Für die Arbeiterbewegung und die Demokratie ist er aber deshalb um so gefährlicher geworden. Es ist ebendiese wunderbare Anpassungsfähigkeit an die geschichtliche Entwicklung, die den russischen Absolutismus so lebenszäh macht, die ihm immer neue Triumphe – wie auch im verflossenen Jahre – bereitet. Und weil er sich immer noch wichtige Funktionen im Dienste der Entwicklung Rußlands anzueignen versteht, steht er fest auf seinen tönernen Füßen und überdauert alle Mißernten und Hungersnöte.

Es ist nur die andere Seite derselben geschichtlichen Erscheinung, daß im Innern Rußlands keine Spur von bürgerlicher Opposition zu sehen ist und daß die Opposition der Arbeiterklasse, auf sich ganz allein angewiesen, sich vor eine ungeheure Aufgabe unter unerhörten Kampfbedingungen gestellt sieht. Die zahlreichen im verflossenen Jahre herausgegebenen sozialistischen Flugblätter, mehrere Ausstände etc. beweisen, daß der beste Teil des russischen Proletariats seine Interessen und die Notwendigkeit, für sie zu kämpfen, sehr wohl, und zwar in wachsendem Maße versteht. Aber die unendliche Reihe in derselben Zeit vorgenommener Verhaftungen zeigt, daß der Absolutismus vorläufig eiserne Mittel genug in der Hand hat, seinem einzigen ernsten Gegner den Kampf aufs äußerste zu erschweren.

Allein der Absolutismus sorgt selbst dafür, daß seine Bäume nicht in den Himmel wachsen, und so schlau er sich bis jetzt im Überspringen der ihm von der Geschichte gestellten Fallen gezeigt hat, am Ende wird er sie doch nicht überlisten. Einerseits dürfte das Werk, das er sich jetzt vorgenommen hat: die Einführung des russischen Kapitalismus auf dem Weltmarkt, reichlich der letzte wichtige Dienst sein, den er der russischen Entwicklung leisten kann, andererseits aber treibt ihn ebendieselbe Bestrebung, die halbe Welt zur Ausführung seiner Pläne zu verschlingen, zum unvermeidlichen Zusammenstoße mit allen europäischen Staaten. Aus Asien entstammt, wird ihn dort auch früher oder später sein Verhängnis ereilen.

Kommt es aber bei der gegenwärtigen raschen Aufteilung Chinas zu

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[1] Auf Initiative Rußlands, das im internationalen Wettrüsten nicht Schritt halten konnte, sollte eine internationale Konferenz zu Fragen der Aufrechterhaltung des Friedens und Einschränkung der Rüstung stattfinden. Am 12. August 1898 hatte die zaristische Regierung allen ausländischen Gesandten in Petersburg eine entsprechende Note überreicht. In einem zweiten Schreiben vom 11. Januar 1899 formulierte sie die Tagesordnungspunkte, die für die vom 18. Mai bis 29. Juni in Den Haag stattfindende sogenannte Friedenskonferenz als Verhandlungsgrundlage dienen sollten.