Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 322

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der russische Absolutismus auch in der Weltpolitik durchaus nicht abdanken will.

Und es wäre unverzeihliche politische Selbsttäuschung, sich die wachsende Macht des Zarenreichs in dem letzten Jahrzehnt bloß als ein Gaukelspiel der diplomatischen Taschenspielerei zu erklären. Die größte politische Schwäche ist es, die Kräfte des Feindes zu unterschätzen. Die Macht des russischen Zarismus gründet sich leider noch auf eine viel festere Grundlage als die Taschenspielerkünste seiner diplomatischen Agenten.

Keine gesellschaftliche Form verschwindet, bis die ihr immanenten Entwicklungs- und Fortschrittskräfte sich ausgelebt haben, bis sie sich überlebt hat und mit der Entwicklung nicht mehr vereinbar ist.

Dasselbe gilt auch von politischen Formen. Man ist in Westeuropa nur zu sehr geneigt, wenn man an den russischen Absolutismus denkt, auf ihn die Begriffe des geschichtlichen Absolutismus, wie er in Frankreich und in Deutschland einst herrschte, zu übertragen, und übersieht nur zu sehr das ganz besondere Wesen des Zarismus, das ihn zu einer in der Weltgeschichte ganz allein dastehenden politischen Erscheinung macht.

Der russische Absolutismus ist tatsächlich seit jeher und bis auf den heutigen Tag – darin liegt das Geheimnis seiner Geschichte und seiner Macht – der Förderer des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts in Rußland; damit erkauft er seit Jahrhunderten für sich das Recht auf politische Rückständigkeit. Nur eine geschichtliche Weltmacht hat noch in dem Grade sich den wechselnden gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen gewußt wie der russische Zarismus – die katholische Kirche. Aber mit dem Zeitalter des Kapitalismus hat auch diese ihre Rechnung nicht finden können, während der Absolutismus in Rußland bis jetzt immer wieder zeigt, daß er noch zu vergessen und zu lernen versteht. Wie einst Peter der Große seine Bojaren an den langen Bärten zerrte und diese heiligen Überlieferungen des guten alten Urrussentums unbarmherzig abzurasieren befahl, wie er die Bojarinnen an den Zöpfen aus dem häuslichen Versteck in das öffentliche Leben schleppte und ihnen die altväterlichen Schleier vom Gesicht riß, so blieben auch seine Nachfolger der Aufgabe treu: Rußland sozial und wirtschaftlich zu europäisieren, um es politisch im Asiatentum zu erhalten.

Wie die Hegelsche These, wußte der russische Absolutismus jedesmal — und wenn auch noch im letzten von der Geschichte gesetzten Verfallstermin – sich selbst zu negieren, in dem eigenen Mechanismus eine Erneuerung vorzunehmen und durch eine gründliche Umwälzung der gesellschaftlichen Grundlagen Rußlands immer wieder als glückliche Synthese

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