Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 260

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ste Vorstellung hat, auch noch eine wunderbare ad hoc verfertigte „materialistische“ Erklärung der bestehenden Kontroverse, wie sie sich in seinem Geiste bespiegelt. Beide Richtungen stehen nach ihm auf rein proletarischem Boden, es ist bloß der Gegensatz innerhalb der industriellen Arbeiterklasse, der in den beiden Richtungen der Partei zum theoretischen Ausdruck gelangt. Es gibt nämlich nach „gr.“ proletarische Schichten, die ihre Lage aufbessern und emporkommen und deshalb die praktische Tätigkeit höher bewerten, und andere Schichten, wie z. B. die Hausindustriellen, die immer mehr verelenden und deshalb an einer Hebung ihrer Lage unter dem Kapitalismus verzweifeln. Die erste Schicht vertreten nun die Vollmar, Heine, Peus, Fendrich, die zweite Schicht die Liebknecht, Zetkin, Kautsky, Bebel, Singer und die gesamte Partei. Bei dieser „materialistischen“ Theorie ist ihm das Malheur passiert, daß er aus Versehen die opportunistische Richtung in der Partei zur Vertreterin des aufsteigenden, des fortschrittlichsten Kerntrupps des industriellen Proletariats, die revolutionäre Richtung aber – zur Vertreterin der hausindustriellen, der im Bann der kleinbürgerlichen Vorstellungsweise befangenen, der rückständigsten Schicht der Arbeiterklasse gemacht hat.

Genosse „gr.“ hat wiederum bei seiner „materialistischen“ Konstruktion einen Fundamentalsatz der sozialdemokratischen Auffassung vergessen, nämlich daß das Wesen der Sozialdemokratie als solcher gerade darin besteht, daß sie gegenüber verschiedenen zersplitterten Gruppen und Schichten des Proletariats seine Entwicklung und Interessen im ganzen vertritt. Sollten also in der Sozialdemokratie einmal wirklich die einzelnen Schichten der Arbeiterklasse mit ihren verschiedenen Interessen und Bestrebungen zur Geltung kommen, so würde das nicht zu Unterschieden in der Taktik, sondern zur Zersetzung, zum Bruch der Sozialdemokratie als solcher führen. Tatsächlich kann die Partei, solange sie überhaupt auf proletarischem Boden steht, in diese Gefahr nicht kommen, denn sie ist gar nicht imstande, die herabsinkenden, verelendeten Schichten der Arbeiterklasse zu vertreten ; diese scheiden vielmehr, sobald sie unter das Niveau ihrer Klasse herabsinken, in das Lumpenproletariat aus, und damit verschwinden sie überhaupt aus dem Zielbereich der Sozialdemokratie. Solange sie als solche besteht, vertritt sie nur das industrielle Proletariat im ganzen, und sucht man wie „gr.“ nach „tiefstem materiellem Grund“ für die verschiedenen Strömungen in der Partei, so muß dieser Grund nicht innerhalb des Proletariats, sondern auf der Scheidelinie zwischen dem Proletariat und seinem sozialen Nachbarn – dem Kleinbürgertum – gesucht werden. Die ganze künstliche Konstruktion „gr.“s mit den zwei

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