Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 158

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neuen Kommission, welche zum x-ten Male die Frage untersuchen sollte, wie es um die Konkurrenzbedingungen des polnischen und des zentralrussischen Industrierayons bestellt sei und wie demgemäß die Eisenbahntarife auf den für die Konkurrenten in Betracht kommenden Linien zu gestalten seien. Diese Kommission, welche unter dem Vorsitz des Vertreters des Eisenbahndepartements Lasarew arbeitete, kam wiederum zu keinem Resultat. Die Vertreter der Łódźer und der Moskauer Unternehmer gaben ihre bekannten Argumente und Gegenargumente zum besten. Neu waren nur zwei Argumente polnischerseits, nämlich der Hinweis auf den Gebrauch der billigen Naphthareste als Heizmaterial im Moskauer Rayon und die Behauptung, die Steuerlasten seien in Polen größer als in Zentralrußland, nämlich hier 5,82 Rubel, dort aber 6,64 Rubel pro Kopf der Bevölkerung.[1]

Im nächsten Jahre, 1891, wurde abermals ein bekannter Ökonom, Below, mit der Untersuchung der Produktionsverhältnisse in Polen und in Zentral-rußland beauftragt. Dieser kam wieder zu dem Schluß, daß auf der Seite von Łódź fast alle Nachteile, auf der Seite Moskaus dagegen alle Vorteile zu finden seien, nämlich: billigere Arbeitskraft, längere Arbeitszeit (hier 3429 Stunden, dort 3212 Stunden pro Jahr) ; billigeres Heizmaterial – Naphthareste kosten 6 d per cwt., Kohle dagegen bei gleicher Wärmeerzeugung bedeutend mehr, nämlich 101/4 d per cwt. – billigere Rohbaumwolle, endlich günstigere Eisenbahntarife. Derselbe Scharapow, welcher 1885 den ersten Alarm gegen Łódź geschlagen hatte, behauptete jetzt aus Anlaß der Belowschen Untersuchung, seit 1885 habe sich die Lage gänzlich verändert, und Łódź verdiene jetzt gar nicht, irgendwie gemaßregelt zu werden.[2]

Es war nötig, die verschiedenen Stadien des Streites zwischen Łódź und Moskau so eingehend zu behandeln, um darzutun, wie schwierig es ist, sich über die Frage eine unbefangene Meinung zu bilden, und wie vorsichtig die über diesen Punkt geäußerten Behauptungen gewöhnlich zu nehmen sind, da es nicht ein einziges Argument gibt, welches nicht von beiden Parteien mit direkt entgegengesetzten Beweisziffern gebraucht worden wäre, und da man nur zu leicht zum unbewußten Sprachrohr eines der beiden Unternehmerchöre werden kann.

Nachdem wir die Geschichte des Moskau-Łódźer Streites und die Hauptpunkte, um welche sich derselbe dreht, in Kürze kennengelernt haben, wollen wir jetzt unsererseits die Konkurrenzbedingungen der beiden Indu-

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[1] Ateneum, 1891, Bd. III, S. 609. [Fußnote im Original]

[2] Diplom. and Cons. Reports, Nr. 1183, S. 5 u. 6. [Fußnote im Original]