Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 155

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den russischen Unternehmern außer im Jahre 1826 noch 1831 Petitionen nach St. Petersburg geschickt[1] – immer mit Klagen gegen die polnische Industrie und mit Aufforderungen, die „vaterländische“ in ihrem Kampfe mit der polnischen zu unterstützen. Wie man aus der Geschichte der polnischen Industrie ersieht, hat die Regierung schließlich nicht nur den Gesuchen der russischen Unternehmer nicht Folge geleistet, sondern, umgekehrt, 1851 die Zollgrenze zwischen Polen und Rußland abgeschafft und so dem Wettkampf der beiden feindlichen Industrien völlig freien Lauf gelassen. Von neuem ist der Kampf heftig seit der Mitte der achtziger Jahre entbrannt, erstens weil die polnische Industrie um diese Zeit – wie erwähnt – einer ganzen Reihe neuer Absatzgebiete in Rußland ebenso im Süden wie im Osten sich bemächtigte, zweitens weil gerade damals an der preußischen Grenze die ganze Textilindustrie des Sosnowiecer Rayons wie aus der Erde gestampft wurde. Andererseits aber sind die Ende der siebziger Jahre durch die Wendung in der Zollpolitik plötzlich und stark in die Höhe geschraubten Warenpreise gegen Mitte der achtziger Jahre ziemlich gefallen. Die dadurch beunruhigten Moskauer Unternehmer fingen an, „den Schuldigen zu suchen“[2], und entdeckten ihn auch – in der polnischen Konkurrenz. Dabei wurde der Kampf, angesichts der Eroberungen, welche die polnischen Baumwollprodukte auf den russischen Absatzmärkten machten, hauptsächlich von den Moskauer Baumwollfabrikanten geführt.

Die erste Attacke seitens des Moskauer Unternehmertums führte ein gewisser Scharapow in einer öffentlichen Rede, die er in Moskau und in Iwanowo-Wosnessensk1885 hielt und die später im Druck erschien. Scharapow hat von Anfang an die höchsten Töne angeschlagen und die ganze Kampagne des Moskauer Kattuns gegen den Łódźer Barchent zu einem historischen Zweikampf der slawischen Rasse mit der germanischen aufgebauscht. Er weist darauf hin, daß die polnische Industrie in allen Beziehungen in günstigeren Bedingungen sich befinde als die russische, es stehen ihr nämlich nach Scharapow erstens der billigere deutsche Kredit zur Verfügung – sie zahle 31/2 bis 4% da, wo der zentralrussische Unternehmer 7-8% zu zahlen habe, sie verfüge zweitens über billigere Rohstoffe, da sie für dieselben viel niedrigere Transportkosten zu tragen habe als der weit im Osten liegende Moskauer Rayon, drittens erfreue sie sich günstigerer Eisenbahntarife, welche sie infolge der privaten Vereinbarungen unter den Eisenbahngesellschaften erzielt habe, viertens endlich habe sie bedeutend

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[1] K. Lodyshenski, l. c., S. 220, 218 u. 222.

[2] A. S.: Moskau und Łódź, S. 22.