Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 148

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1884 (Krise) 1885 1886
in Pud
in Polen in Rußland in Polen in Rußland in Polen in Rußland
Baumwoll- u. Wollstoffe 372 390 1 004 286 321344 1 115 460 443 565 1 507 259
Garn 45 290 4524 63051 99951 56 583 90136
417 680 1 008 810 384 395 1 215 411 500148 1 597 395

Was also das Zentrum der Textilindustrie betrifft, so setzte es schon Mitte der achtziger Jahre drei Viertel seiner Erzeugnisse in Rußland ab. In den zehn Jahren aber, seitdem die obigen Berechnungen gemacht wurden, dürfte sich das Verhältnis noch in weit stärkerem Maße zugunsten des Absatzes in Rußland verschoben haben, da die Produktion seitdem ca. um die Hälfte angewachsen ist, während der innere Markt sich selbstverständlich nur in kleinem Verhältnis vergrößern konnte; andererseits haben wir direkte Beweise, daß der polnische Absatz während dieser zehn Jahre neue Gebiete in Rußland sich erschlossen hat, worauf wir noch näher zu sprechen kommen werden. Man darf also als das minimale Verhältnis für heute annehmen, daß von den Erzeugnissen der polnischen Industrie 2/3 von Rußland absorbiert werden. Und zwar erstreckt sich dieser Absatz auf diejenigen Industriezweige, welche den Hauptstamm der großkapitalistischen Produktion in jedem Lande bilden: auf die Textil-, Metall- und Kohlenindustrie. Daneben setzen natürlich auch eine ganze Reihe kleinerer Industriezweige, wie die Zucker- und Galanteriewarenproduktion, die Gerberei u. a., ihre Erzeugnisse in immer wachsendem Maße nach Rußland ab.

Das Vorschreiten des polnischen Absatzes in Rußland bietet in geographischer Hinsicht ein interessantes Bild. Wie gesagt, beginnt dieser Absatz in größerem Umfange erst mit den siebziger Jahren. Längere Zeit beschränkt er sich jedoch nur auf die westlichen und südwestlichen Gouvernements des Reichs – auf Litauen und Kleinrußland, also eigentlich auf die alten Teile des ehemaligen Polens. Anfangs der achtziger Jahre erobert Polen aber einen neuen Absatzmarkt im Süden Rußlands, in dem sog. Neurußland.[1][ Mitte der achtziger Jahre macht der polnische Absatz wieder einen Schritt weiter. Im Jahre 1883 wurde nämlich der durch den Berliner Kongreß[2] vereinbarte freie Transit über Batum nach dem Transkaukasus aufgehoben und eine Zollgrenze daselbst errichtet. Damit haben

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[1] Janshul. l. c., S. 63 [Fußnote im Original]

[2] Der Berliner Kongreß, an dem alle europäischen Großmächte und die Türkei teilnahmen, wurde vom 13. Juni bis 13. Juli 1878 durchgeführt und beendete den russisch-türkischen Krieg 1877/78. Die Beschlüsse des Kongresses liefen auf eine partielle Aufteilung der Türkei hinaus. Rußland erhielt einige Gebiete in Asien zugesprochen; Österreich-Ungarn bekam das Recht, Bosnien und die Herzegowina zu besetzen. Außerdem entstanden aus ehemals türkisch unterjochten Gebieten einige formell unabhängige Balkanstaaten, über deren Gestaltung jedoch im wesentlichen machtpolitische Interessen der europäischen Großmächte entschieden.