Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 808

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vor allem eine permanente internationale Kriegsgefahr oder wenigstens ein Zustand permanenter Animositäten, in den alle wichtigen Kulturstaaten gleichmäßig verwickelt sind. Damit ist aber eine neue Grundlage für eine gemeinsame politische Aktion geschaffen. Der Allianz der imperialistischen Reaktion muß .das Proletariat eine internationale Protestbewegung entgegensetzen. Die Resolution[1] enthält praktische Vorschläge dazu. Es ist nicht viel, was wir in Vorschlag bringen: Die sozialistischen Abgeordneten sollen nur überall verpflichtet werden, gegen jede Ausgabe für die Zwecke des Land- und Wassermilitarismus zu stimmen, und die vom Kongreß geschaffene permanente Kommission soll in Fällen von internationaler Tragweite, wie es z. B. im Chinakrieg[2] war, eine gleichförmige Protestbewegung in allen Ländern ins Leben rufen. Wird aber dies wenige genau ausgeführt, so werden wir sicher einen großen Fortschritt in den internationalen Beziehungen zu verzeichnen haben. Allein nicht nur vom Standpunkte des alltäglichen Kampfes gegen den Militarismus erscheint

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[1] Die Resolution, die einstimmig angenommen wurde, lautet: „Bezugnehmend auf die Beschlüsse der Internationalen Sozialistenkongresse von Paris 1889, Brüssel 1891 und London 1896, die den Militarismus als eines der verhängnisvollsten Ergebnisse der kapitalistischen Ordnung verurteilten und die Abschaffung der stehenden Heere, die Einrichtung internationaler Schiedsgerichte sowie die Entscheidung über Krieg und Frieden durch das Volk verlangen;

in Erwägung ferner, daß die seit dem letzten Internationalen Kongreß eingetretenen Ereignisse klargelegt haben, wie sehr die bisherigen politischen Errungenschaften des Proletariats sowie die gesamte ruhige und normale Entwicklung der heutigen Gesellschaft durch den Militarismus besonders in seiner neuesten Form als Weltpolitik bedroht werden;

in Erwägung endlich, daß diese Politik der Expansion und des Kolonialraubs, wie uns der Kreuzzug gegen China zeigt, internationale Eifersüchteleien und Reibungen entfesselt, die den Krieg in einen permanenten Zustand zu verwandeln drohen, dessen wirtschaftliche, politische und moralische Kosten das Proletariat allein zu tragen hätte, erklärt der Kongreß:

daß es nötig ist, daß die Arbeiterpartei in jedem Lande mit verdoppelter Wucht und Energie gegen Militarismus und Kolonialpolitik auftrete ;

2.daß es vor allem unbedingt notwendig ist, die weltpolitische Allianz der Bourgeoisien und Regierungen zur Verewigung des Krieges durch eine Allianz der Proletarier aller Länder zur Verewigung des Friedens zu beantworten, d. h., von mehr oder minder platonischen Demonstrationen der internationalen Solidarität auf politischem Gebiet zur energischen internationalen Aktion, zum gemeinsamen Kampf gegen den Militarismus und die Weltpolitik überzugehen.

Als praktisches Mittel hierfür beschließt der Kongreß:

daß die sozialistischen Parteien überall die Erziehung und Organisierung der Jugend zum Zweck der Bekämpfung des Militarismus in Angriff zu nehmen und mit größtem Eifer zu betreiben haben;

daß die sozialistischen Vertreter in allen Parlamenten unbedingt gegen jede Ausgabe des Militarismus, Marinismus oder der Kolonialexpeditionen zu stimmen verpflichtet sind;

daß die ständige internationale sozialistische Kommission beauftragt wird, bei allen entsprechenden Gelegenheiten von internationaler Tragweite in allen Ländern eine gleichzeitige und gleichförmige Protestbewegung gegen den Militarismus ins Leben zu rufen.“ (Internationaler Sozialisten-Kongreß zu Paris. 23. bis 27. September 1900, Berlin 1900, S. 27 f.)

[2] 1899 war in Nordchina der Volksaufstand der Ihotuan ausgebrochen, der 1900 durch die vereinigten Armeen von acht imperialistischen Staaten unter Führung des deutschen Generals Alfred Graf von Waldersee grausam niedergeworfen wurde. In einem Abschlußprotokoll von 1901 wurde China u. a. gezwungen, etwa 1,4 Milliarden Mark Kontributionen zu zahlen und der Errichtung von Stützpunkten für die Interventionsarmeen zuzustimmen.