Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 343

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Zur Versorgung dieses wachsenden Geld- und Kreditverkehrs wurden die Zweiganstalten der Reichsbank von Jahr zu Jahr vermehrt: Es gab ihrer in dem Gründungsjahre der Reichsbank 183, nach 15 Jahren 243, heute schon 294. Da die Reichsbank wie jede andere zum Betriebe und zur Sicherstellung der mannigfachen Geldgeschäfte eines eigenen Kapitals bedarf, so muß auch dieses Kapital in einem bestimmten Verhältnis zu der Ausdehnung der Geschäfte der Bank gleichfalls vergrößert werden. Daher die von der Vorlage geforderte Vergrößerung des Grundkapitals um 30 Millionen Mark.

Eine andere Seite der Geld- und Kreditgeschäfte in den letzten Jahrzehnten ist ihre Konzentration. In den 70er Jahren besorgten diese Geschäfte in Deutschland außer der Reichsbank noch 17 Privatnotenbanken. Sie schmolzen aber immer mehr zusammen, 1887 auf 15, 1890 auf 12, 1891 auf 8, und heute gibt es deren nur 7. Allein nicht nur in dieser mechanischen Weise äußert sich die große Wirkung der Konzentrationstendenz im heutigen wirtschaftlichen Leben. Jedermann weiß, eine wie kolossale Rolle heute der Kredit für die kapitalistische Gesellschaft spielt. Eine der wichtigsten Formen der Kreditgewährung ist die sogenannte Diskontierung der Wechsel. Wir haben ja gesehen, in wie starkem Maße die Wechselanlage der Reichsbank gewachsen ist. Darin äußert sich gerade der industrielle Aufschwung, die große Nachfrage nach Geld zu Gründungen, Handelsgeschäften etc. Der Kredit kann aber billiger oder teuerer gewährt und damit der industrielle und Handelsbetrieb im Lande erleichtert oder erschwert werden. Die Reichsbank läßt sich in ihrer Keditgewährung von Rücksichten auf den allgemeinen Geschäftsgang im Lande, auf die umlaufende Geldmenge etc. leiten. Sie erschwert oder erleichtert der Geschäftswelt den Kredit je nach der Sicherheit der allgemeinen Geschäftslage, je nach dem Mangel oder dem Überfluß des Geldes im Lande etc. So hat sie z. B. in den letzten Wochen des vorigen Jahres den sogenannten Diskontsatz der Wechsel erhöht, d. h. den Kredit stark verteuert und erschwert, weil die Gründungswut zu stark zu werden schien. Auf diese Weise, durch diese sog. „Diskontpolitik“, d. h. Verteuerung oder Verbilligung des Kredits, wird in das anarchische, plan- und zügellose Getriebe der kapitalistischen Geldwirtschaft in einem gewissen Maße eine Leitung, ein Plan hineingetragen. Allein, neben der Reichsbank gewähren auch die Privatnotenbanken den Industriellen, Kaufleuten etc. Kredit. Und da sie einfach die Gewinne aus dem vergrößerten Geschäft an sich ziehen wollen, so gewähren sie in der Regel einen billigeren, leichteren Kredit als die Reichsbank. Auf diese Weise wird die Leitung und Ordnung des Kredit-

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