Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 287

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vor vier Jahren gefaßt, jetzt hat sich auch schon ein Unternehmersyndikat zum Zwecke seiner Ausführung gebildet.

Anderseits hat der neueste Faschodastreit[1] zwischen England und Frankreich letzteres zur Wiederaufnahme des alten Planes einer großen Transsaharischen Eisenbahn bewogen. Schon vor 25 Jahren wurde der Plan dieser Bahn vom Ingenieur Duponchel ausgearbeitet. Bereits vor 20 Jahren wurde eine Kommission zur Vorbereitung der praktischen Arbeiten eingesetzt. Erst jetzt aber, unter dem Eindruck des Zusammenstoßes mit England am oberen Nil, wurde wieder die öffentliche Meinung Frankreichs auf den alten Plan aufmerksam gemacht. Namentlich legt sich der „gelehrte“ Vertreter der Kapitalisteninteressen, Paul Leroy-Beaulieu, warm ins Zeug und sucht ebenso im „Journal des Débats“ wie in dem „Économiste“ die Notwendigkeit, ein „Afrikanisches Reich“ Frankreichs durch Vereinigung seiner zerstreut liegenden Länder zu gründen, darzulegen. Da jetzt auch Freycinet, der ehemals die Kommission für Vorarbeiten zu der Transsaharischen Bahn geschaffen hatte, zur Regierung gehört, so dürfte die Ausführung des alten Projekts diesmal in Angriff genommen werden. Die geplante grandiose Eisenbahn soll von Biskra in Algerien nach Sabha in der Saharischen Wüste und weiter quer durch die Wüste nach Süden zum Tschadsee, von hier einerseits nach dem französischen Senegal und anderseits nach dem französischen Kongo führen. Damit wäre der nördliche und westliche Teil Afrikas dem Eisenbahnverkehr eröffnet.

Sollen die beiden geplanten Eisenbahnlinien in nächster Zukunft errichtet werden, so gibt das enorme Unternehmen – namentlich in Frank- reich, dem Panamalande – vor allem Anlaß zu großartigen Kapitalschwindeleien, zur Bereicherung einiger weniger Kapitalisten auf Kosten der Masse kapitalleihender Kleinbürger und die Arbeit verrichtender Proletarier. In politischer Hinsicht wird die Erleichterung des Verkehrs und namentlich der Mobilisierung der Kolonialarmeen die asiatischen und afrikanischen Konflikte zwischen den europäischen Mächten nur noch häufiger und schärfer machen. In letzter Linie aber werden die neuen Verkehrswege ebendadurch und durch die Hebung des Handels die kapitalistische Entwicklung und damit auch ihren schließlichen Zusammenbruch beschleunigen. Auf die bürgerliche Welt können die großen Verkehrsmittel wie

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[1] Im September 1898 war es während eines Konfliktes zwischen Frankreich und Großbritannien um den Besitz des Sudan zu einem Zusammenstoß bei Faschoda gekommen, der beide Länder an den Rand eines Krieges führte. Der Konflikt wurde im März 1899 durch den formellen Verzicht Frankreichs im Austausch gegen einige andere afrikanische Gebiete beigelegt.