Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 969

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Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung rücksichtslos zu führen, will er die Richtlinien des Kampfes angeben, er wird auf der Konferenz eine geschlossene Front finden. Will er aber seine Haltung zur Kriegspolitik rechfertigen und sich als richtig von der Konferenz bescheinigen lassen, dann wird er nicht einigen, sondern die Fehde hell auflodern lassen. Sie bringt dann keine Klärung. Die Gefahr der Parteispaltung wird gewaltig überschätzt. Die Aufgaben, die unser nach dem Kriege harren, sind auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet so groß, daß wir die Geschlossenheit der Arbeiterklasse brauchen. In diesem Sinne haben auch alle Parteiorganisationen Stellung genommen. Die wenigen, die durch Beitragssperre usw. (alte liberale abgenutzte Raritäten der Steuerverweigerungszeit) die Organisationen zersplittern wollten, sind längst bei den Genossen abgefallen. Ihretwegen brauchen wir keine Konferenz. Die Meinungsfreiheit kann die Konferenz nicht unterbinden, die Meinungsverschiedenheit wird trotz der Konferenz bestehen bleiben und sie kann bis zum nächsten Parteitag, der unter normalen Verhältnissen tagen kann, ertragen werden. Dann muß es sich entscheiden, ob links oder rechts. Es ist möglich, daß die nach rechts Neigenden bis dahin nach links umgelernt haben und eine erdrückende Mehrheit sich zum Programm bekennt. Wenn nicht, dann werden sich die Geister scheiden müssen, dann werden die nach rechts Strebenden an die bürgerlichen Parteien Anschluß finden.

Daraus ergibt sich, daß man einer Konferenz ohne moralische Autorität Unmögliches zumutet, wenn man von ihr eine Klärung oder Milderung des Parteistreits erwartet.

Es bleibt die Zusammensetzung der Konferenz.

Leider ist der Parteiausschuß meist aus Parteiangestellten zusammengesetzt, für die die Gefahr gouvernementaler Politik besteht. Während auf dem Parteitag Reichstagsabgeordnete in parlamentarischen Angelegenheiten kein Stimmrecht haben, sitzen im Parteiausschuß Reichstagsabgeordnete, ja werden eigens zu besonderen Sitzungen delegiert, und verhandeln nicht nur in parlamentarischen Angelegenheiten, sondern stimmen auch. Sind also Richter in eigner Angelegenheit. Eine erweiterte Sitzung etwa des Parteiausschusses zu berufen, hat deshalb wenig Sinn. Bleibt die Vertretung der Kreisorganisationen. Vor dem Kriege hatten wir zwar in allen 397 Reichstagswahlkreisen Kreisorganisationen, ihre Mitgliederzahl schwankte aber von zwei bis 45532 in einem Wahlkreise. Nach dem Organisationsstatut hat jeder Wahlkreis das Recht, einen Delegierten auf den Parteitag zu entsenden, wenn er 20 Prozent seiner Beiträge an den Parteivorstand abgeführt hat, oder der Parteivorstand ihm die Beiträge erlassen hat. § 5 [und 6] des Statuts. Der kleinste Wahlkreis mit zwei Mitgliedern, der den Mindestbeitrag von 30 Pf. pro Monat erhebt, kann also bei 7,20 M Jahreseinnahme im Kreise einen Delegierten entsenden, das heißt, wenn ihm der Bezirksvorstand hierzu die Mittel gibt. Die Kreise über 1500 Mitglieder können mehr Delegierte entsenden, die im Verhältnis um so weniger werden, je größer seine

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