Erklärung zu Abrüstung und Frieden am 1. September 1910
[1]Angesichts dessen, daß – wie ich festgestellt habe – ein Teil der bürgerlichen Presse versucht, durch falsche Interpretationen sich die Deklarationen anzueignen, die ich gestern in der Kommission über die Militärfrage abgegeben habe, halte ich daran fest zu erklären, daß ich natürlich niemals die Absicht hatte, die sozialistische Aktion zur Sicherung des Friedens zu vermindern. Ich wollte, im Gegenteil, dieser Aktion die größte Aktivität und die größte Breite sichern und hervorheben, daß allein der revolutionäre Kampf der Klasse das Hindernis gegen den Krieg bildet. Ich wollte einfach die pazifistischen Illusionen kritisieren.
Unterzeichner: Karl Radek[2]
Huitième Congrès Socialiste International tenu à Copenhague du 28 août au 3 septembre 1910. Compte rendu analytique publié par le Secrétariat du Bureau Socialiste International, Gand 1911, S. 208.
Übersetzung aus dem Französischen Elke Keller †.
[1] Überschrift der Redaktion. – Nach ihrem Brief an Leo Jogiches vom 31. August 1910 ist Rosa Luxemburg die Verfasserin der Erklärung. „Mit Bestürzung erfuhr ich davon“, schrieb sie, „was Radek in der Militärkommission angestellt hat, was kein Mensch voraussehen konnte. Nachdem ich mit den Franzosen, mit den Deutschen etc. gesprochen hatte, schrieb ich eine Erklärung, die Radek heute in der Sektion einbrachte. Mehr kann man daran leider nicht korrigieren. […] Die meiste Zeit ist mir bisher dafür draufgegangen, zu erkunden, welche Dummheiten unsere Leute machen, und sie zu reparieren.“ Siehe GB, Bd. 3, S. 225.
[2] Karl Radek hatte in der Sitzung der 3. Kommission des Kopenhagener Kongresses zu Abrüstung und Frieden am 29. August 1910 fünfmal das Wort ergriffen und die Forderung nach Abrüstung bzw. nach Verständigung über den Umfang der Rüstungen, speziell zwischen Deutschland und England über die Beschränkung der Flottenrüstung, als utopisch abgelehnt. Er hatte die Meinung vertreten, daß diese Haltung der sozialdemokratischen Fraktion im Deutschen Reichstag mit sozialdemokratischen Argumenten nicht zu begründen sei.