Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1115

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Noch ein Opfer!

[1]

Eine letzte verirrte Kugel des großen Mordens mähte noch ein Menschenleben nieder, knickte eine reine, kaum erschlossene Knospe, vernichtete eine schön aufsprießende Hoffnung der Partei. Leutnant Brandel Geck, der älteste Sohn unseres treuen alten Adolf Geck, blieb noch auf dem grausigen Felde des Todes liegen, dem er vier Jahre hindurch mitten in der Hölle des Krieges entronnen war.

Er war zu Größerem bestimmt, als in diesem großen Volksmorden in ein frühes Grab zu sinken. Wo er selbst nicht mehr sein kann, wird die Erinnerung an ihn bei uns bleiben.

Die Rote Fahne (Berlin),

Nr. 7 vom 22. November 1918.

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[1] Diese Notiz ist nicht gezeichnet, aber mit Sicherheit von ihr. Dafür spricht ihr Brief vom 18. November 1918 an Marie und Adolf Geck, in dem sie ihnen herzlichstes Beileid aussprach. Acht Tage vorher war sie, aus Breslau kommend, in Berlin angelangt. Ihre Adresse lautete vorläufig Hotel Moltke. – „Meine teuren, geliebten, herzinnigen Freunde!“, hieß es in dem Brief. „Eben erhalte ich über Breslau das furchtbare schwarze Kuvert. Mir zitterte schon die Hand und das Herz, als ich die Schrift und den Stempel sah, doch hoffte ich noch, das Schrecklichste würde nicht Wahrheit sein. Ich kann es nicht fassen, und Tränen hindern mich am Schreiben. Was Ihr durchmacht, ich weiß es, ich fühle es, wir wissen den furchtbaren Schlag alle zu ermessen. Ich habe so unendlich viel von ihm für die Partei, für die Menschen erwartet. Mit den Zähnen möchte man knirschen. Ich möchte Euch helfen, und doch gibt es keine Hilfe, keinen Trost. Ihr Lieben, laßt Euch nicht durch Schmerz überwältigen, laßt die Sonne, die in Eurem Hause immer strahlt, nicht hinter dem Entsetzlichen verschwinden. Wir alle stehen unter dem blinden Schicksal, mich tröstet nur der grimmige Gedanke, daß ich doch auch vielleicht bald ins Jenseits befördert werde – vielleicht durch eine Kugel der Gegenrevolution, die von allen Seiten lauert. Aber solange ich lebe, bleibe ich Euch in wärmster, treuester, innigster Liebe verbunden und will mit Euch jedes Leid, jeden Schmerz teilen. Tausend Grüße Eure Rosa L.

Mein herzlichstes Beileid und viele beste Grüße. Ihr K. Liebknecht“. Siehe GB, Bd. 5, S. 415.