Zur Märzkonferenz der Opposition
[1]Durch den Aufruf der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft, den wir vor acht Tagen an dieser Stelle besprochen haben,[2] tritt an die Gruppe „Internationale“ die Frage heran, ob sie die für den März geplante Konferenz der Opposition beschicken soll oder nicht. Wenn wir diese Frage heute zum Gegenstand einiger Bemerkungen machen, so selbstverständlich nicht in der Absicht, damit eine bindende Direktive auszugeben, wozu uns jede Befugnis fehlen würde, sondern nur zu dem Zwecke, die Erörterung überhaupt anzuregen, eine Erörterung, die um so notwendiger ist, als wir binnen weniger Wochen uns in jedem Falle so oder so entscheiden müssen.
Über die innere Schwäche der Arbeitsgemeinschaft haben wir uns vor acht Tagen mit aller Unumwundenheit ausgesprochen, und wir sind deshalb vor dem Verdacht einer parteiischen Vorliebe für sie geschützt, wenn wir die Frage, um die es sich handelt, mit Ja beantworten. Wir können uns von der Beteiligung an der Konferenz schon aus dem sehr einfachen, aber sehr zwingenden Grunde nicht ausschließen, weil die Arbeitsgemeinschaft mit der Einberufung der Konferenz – sehr spät zwar, aber doch nicht zu spät – nur einer Forderung nachkommt, die die Gruppe „Internationale“ selbst vor Jahr und Tag mit allem Nachdruck gestellt hat.
Man muß die Dinge immer ein wenig unter historischem Gesichtspunkt betrachten. Bei allen Beschwerden über die Halbheiten und Schwankungen der Arbeitsgemeinschaft[3] darf man doch nicht übersehen, daß auch sie ein Produkt der historischen Entwicklung ist. Es gehört einiger Götterglaube dazu, sich vorzustellen, als könne aus dem ungeheuren Zusammenbruch einer großen Arbeiterpartei eine neue Partei emporsteigen, wie Pallas Athene, nach der griechischen Göttersage, aus dem Haupte des Zeus, in blanker Rüstung, bewaffnet mit Speer und Schild. Im wirklichen Leben gehen die Dinge viel nüchterner vor sich. Bricht ein Haus zusammen oder wird es von den frevelnden Händen niedergerissen, so bauen sich die einen der bisherigen Bewohner gleich auf sicherem Felsengrunde ein neues Hüttlein, während andere – und es brauchen keineswegs die schlechtesten zu sein; es sprechen dabei
[1] Der Artikel ist mit ♂, einem von Rosa Luxemburgs Zeichen versehen, das sie auch für ihre Beiträge in der SAZ 1898 häufig verwendet hat. Siehe GW, Bd. 6, S. 129 ff. In der RL-Bibliographie von Feliks Tych, 1962 (Jadwiga Kaczanowska przy konsultacji i wspólprácy Feliksa Tycha: Bibliografia Pierwodruków Rózy Luksemburg. Nadbitka Z pola walki, kwartalnik Poswiecony Dziejom Ruchu Robotniczego, Warschau 1962 Nr. 3 [19]), ist der Artikel unter Nr. 639 ausgewiesen; ebenso in der Bibliographie von Narihiko Ito von 2002, S. 25, unter Nr. 42. Siehe auch S. 995, Fußnote 1 und S. 999, Fußnote 1.
[2] Siehe S. 999 ff.
[3] Siehe S. 993, Fußnote 4.