Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1047

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Zuschrift im „Kleinen Briefkasten“ der Wochenschrift „Die Aktion“

[1]

R. L. Daß – nach der Rede Bethmann Hollwegs[2] und nach der Erklärung Haases[3] auch Herr Ebert[4] namens und im Auftrage der deutschen Sozialdemokratie Sondergruppe Kolb–David–Scheidemann der russischen Sozialdemokratie zur Revolution „gratulierte“, habe ich natürlich gelesen. Gelesen habe ich, wie Parvus in seinem Artikel „Der Sieg der russischen Revolution“ („Glocke“ Nr. 52) die Mißerfolge des russischen Heeres erklärt:

„Die tieferen Gründe des Mißerfolges liegen in den zwei großen Rechenfehlern, die man in Rußland und andernorts seit Anfang des Krieges gemacht hat. Der erste Rechenfehler war die Überschätzung Rußlands. Rußland war noch nicht genug industriell durchgebildet, um den Weltkampf siegreich durchführen zu können. Man konnte doch nicht während des Krieges selbst dieses Riesenreich mit den Eisenbahnen versehen, die ihm zu weitaus größtem Teil noch fehlten. Und damit waren auch die Schranken für die Industrie und den Ackerbau gegeben. Der zweite Fehler war die Unterschätzung Deutschlands und der Mittelmächte. Man bildete sich einen Kampf gegen

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[1] Die Zuschrift ist mit R.L. gezeichnet. Daß sie über Mathilde Jacob mit Franz Pfemfert, dem Herausgeber der Zeitschrift Die Aktion, in Verbindung stand, ist aus Briefen ersichtlich. Siehe GB, Bd. 5, 179, 180, 191, 231 und 265. – Franz Pfemfert hatte 1916 illegal die Junius-Broschüre von Rosa Luxemburg drucken lassen. In den Jahren 1917/18 versorgte er Rosa Luxemburg mit Literatur. Bis 1927 veröffentlichte er in Die Aktion Auszüge aus Schriften und Briefen Rosa Luxemburgs.

[2] Gemeint ist die Rede von Reichskanzler Bethmann Hollweg am 29. März 1917 in der Debatte zum Reichshaushaltsetat 1917, in der er erklärte, daß an der Spitze der Ereignisse die weltgeschichtlichen Vorgänge in Rußland stehen. Siehe Verhandlungen des Reichstags. XIII. Legislaturperiode. II. Session. Stenographische Berichte, Band 309, Berlin 1917, S. 2865.

[3] Hugo Haase hatte am 30. März 1917 in der Reichshaushaltsetatdebatte erklärt: „Meine Herren, meine Fraktion ist von Bewunderung erfüllt für das russische Volk, das mit heldenmütiger Tatkraft das Joch des Zarismus abgeschüttelt hat.“ Außerdem verlas er ein Telegramm seiner Fraktion an die russischen Parteigenossen: „Wir begrüßen aus vollem Herzen die entschlossene Erhebung des russischen Proletariats. Sein Sieg über den Despotismus bedingt [nicht nur] die Befreiung Rußlands, sondern der ganzen Menschheit vom Banne des Krieges und des eroberungslüsternen Ausbeutungsdranges. Euch Vorkämpfern des Sozialismus und der internationalen Solidarität senden wir unsern brüderlichen Gruß.“ Siehe ebenda, S. 2887 f.

[4] Siehe Die deutsche an die russische Sozialdemokratie. Eine Friedenskundgebung, unterzeichnet mit Parteivorstand Ebert. In: Berliner Tageblatt, Nr. 165 vom 2. April 1917.