Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 959

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Ein Blatt Geschichte

[1]

I.

Die politische Freiheit Englands, namentlich die Macht des Parlaments, die so groß ist wie kaum in einem Lande, sind im Grunde genommen Früchte der großen Revolution des siebzehnten Jahrhunderts. Damals raffte sich das englische Bürgertum auf, um die Macht des Königtums einzuschränken und das Parlament zum eigentlichen Machtfaktor des politischen Lebens zu erheben. Es stützte sich dabei auf die revolutionären Schichten des arbeitenden Volkes und stellte sich führend an ihre Spitze. Der Kampf dauerte vom ersten Augenblick der Thronbesteigung Karls I. im Jahre 1625 bis 1649. Er lief die ganze Stufenleiter des Ringens um politische Macht durch, von dem stillen Geplänkel zwischen König und Parlament, das noch in den ehrerbietigsten Formen seine „Vorstellungen“ und „Petitionen“ an den Stufen des Thrones niederlegte, bis zur offenen großen Volksrevolution, in der der König des Hochverrats angeklagt und geköpft wurde, worauf in England elf Jahre lang die Republik bestand. Einer der geschichtlich interessanten Abschnitte dieses gewaltigen Kampfes ist derjenige, als der König, noch auf seine Macht pochend, einen Streich gegen die Immunität einiger oppositionellen Abgeordneten wagte und sie mitten im

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[1] Der zweiteilige Artikel ist nicht gezeichnet, stammt aber vermutlich von Rosa Luxemburg. Es könnte der Artikel sein, den sie Clara Zetkin am 3. Juli 1916 versprach, indem sie schrieb: „Den Leiter werde ich natürlich morgen schicken. Thema ist mir noch nicht klar.“ Siehe GB, Bd. 5, S. 128. Ihre Autorschaft ergibt sich vor allem aus Vergleichen mit ihren Exzerpten aus der „Geschichte der Englischen Revolution“ von Guizot. Siehe S. 237 ff. Die sie besonders interessierenden Probleme des langwierigen und dramatischen Entstehungsprozesses des englischen Parlaments, des Verhältnisses des Bürgertums zum Parlamentarismus und zur Republik, die Rolle der revolutionären Schichten des arbeitenden Volkes und der verhängnisvollen Kriege werden in dem Artikel ebenso angesprochen wie 1918 in ihrem unvollendeten Manuskript Zur russischen Revolution. Siehe GW, Bd. 4, S. 339 f. Zu Guizots Buch griff sie wiederholt. Ende November 1915 hatte sie erneut darin gelesen. Siehe GB, Bd. 5, S. 87. Für ihre Autorschaft sprechen außerdem die indirekten Bezüge zu aktuellen Vorgängen in der sozialdemokratischen Antikriegsopposition. Neben Karl Liebknecht und Otto Rühle hatten am 24. März 1916 18 sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete gegen den Notetat der Regierung gestimmt und waren sofort aus der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion ausgeschlossen worden. Darüber hinaus gibt es vom Vorwurf des Hochverrats gegen Lord Kimbolton und fünf Unterhausmitglieder einen unverkennbaren Bezug zum Hochverratsprozeß gegen Karl Liebknecht vor dem Kommandanturgericht Berlin am 28. Juni 1916. Dieser Tag, an dem er in nichtöffentlicher Hauptverhandlung erster Instanz zu zwei Jahren, sechs Monaten und drei Tagen Zuchthaus verurteilt wurde, sei für sie und Sophie Liebknecht voller Aufregungen und Anstrengungen gewesen. Das berichtete Rosa Luxemburg am 3. Juli 1916 ihrer schwer erkrankten Freundin Clara Zetkin, die sie nach besten Kräften, z. B. durch Artikel, unterstützen wollte. Siehe GB, Bd. 5, S. 128, auch S. 126 und 133.