Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 771

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Zum Fall Radek

[1]

Der Bericht der Bremer Untersuchungskommission in Sachen Radek[2] hat eine Anzahl deutscher Genossen zu einer Erklärung im „Vorwärts“ veranlaßt.[3] Sie übernehmen hier eine Reihe von Behauptungen des erwähnten Berichts, die sie selbst freilich nicht kontrollieren konnten, die jedoch der Mehrheit der Bremer Kommission, von der sie herrühren, nachweisbar als wahrheitswidrig bekannt sein mußten.

1. Die Erklärung spricht dem Bericht der Bremer Kommission[4] nach:

„…Der Vorstand der polnischen Partei ist auf den Vorschlag des deutschen Parteivorstandes, ein außerstatutarisches Schiedsgericht einzusetzen, nicht eingegangen. Dieses Schiedsgericht, dessen Spruch Radek sich unter allen Umständen fügen wollte,

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[1] Die Redaktion des Vorwärts (Berlin) stellte folgenden Text voran: „Wir erhalten von den Vertretern des Parteivorstandes der Sozialdemokratie Polens und Litauens mit dem Ersuchen um Veröffentlichung nachfolgende Erklärung, mit dem Beifügen, daß deren Inhalt von den Genossen J. Karski, Rosa Luxemburg und J. Tyska [Leo Jogiches] vertreten wird.

[2] Ein vom Hauptvorstand der SDKPiL einberufenes Parteigericht hatte gegen Karl Radek Anklage wegen unmoralischen Verhaltens in länger zurückliegender Zeit erhoben und ihn Ende August 1912 aus der SDKPiL ausgeschlossen. Anfang September 1913 überprüfte eine auf Initiative des Büros der Auslandssektionen der SDKPiL gebildete Kommission diesen Beschluß und kam zu dem Ergebnis, daß kein Grund vorgelegen habe, Radek aus der Partei auszuschließen. Sie beantragte die Aufhebung des Urteils. – Siehe dazu Blinder Eifer. In: GW, Bd. 3, S. 173 ff. und IV Zusatzantrag zum Fall Radek an den Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 14. bis 20. September 1913 in Jena. In: ebenda, S. 341 f.

[3] In einer Erwiderung in der Bremer Bürger-Zeitung (BBZ), Nr. 206 und Nr. 207 vom 3. und 4. September 1913 bezeichnet sich Konrad Haenisch als Verfasser der Erklärung, die am 28. August 1913 als Aufruf in der BBZ erschienen war. Der Vorwärts (Berlin) hatte den Abdruck abgelehnt. Haenisch verteidigt Karl Radek und stützt sich auf dessen Broschüre Meine Abrechnung vom März 1913. „So könnte ich noch spaltenlang zitieren. Selbstverständlich denke ich nicht daran, mir alle diese Urteile über das Verfahren gegen Radek zu eigen zu machen. Ich denke um so weniger daran, als ich besonders die Genossen Karski und Rosa Luxemburg seit langen Jahren persönlich kenne und hochschätze, mit ihnen oft genug in Parteifragen Schulter an Schulter gefochten habe und sie eines bewußten Meuchelmordes an einem Parteigenossen für völlig unfähig halte. Alles das ändert aber nichts an der Tatsache, daß nicht minder achtbare russisch-polnische Genossen wie Trotzki, Axelrod, Leder usw. über das gegen Radek eingeschlagene Verfahren in der eben mitgeteilten Art und Weise sich ausgesprochen haben. Und daß ein Verfahren, das selbst von hervorragender polnischer Seite in dieser Weise beurteilt wird, nicht jene Rechtsgarantien geboten haben kann, die wir in Deutschland an ein Schiedsgerichtsverfahren zu stellen gewohnt sind: das dürfte einleuchten!“ Siehe BBZ, Nr. 206 vom 3. September 1913.

[4] Die Erklärung der Mehrheit der Bremer Kommission war im Vorwärts (Berlin), Nr. 222 vom 28. August 1913 erschienen.