Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 853

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Notizen zur Prozeßvorbereitung über Soldatenmißhandlungen

[1]

Zunahme der Mißh[andlungen]

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[1] Überschrift der Redaktion. – Am 22. Mai 1914 erhielt sie die Anklage zu einem 2. Prozeß im Jahre 1914. Der Kriegsminister v. Falkenhayn bezog sich in seinem vom Kanzler Bethmann Hollweg bewilligten Strafantrag auf Rosa Luxemburgs Rede in Freiburg i. Br. am 7. März 1914 (Siehe Rede am 7. März 1914 in der Protestversammlung gegen die Verurteilung Rosa Luxemburgs in Freiburg i. Br. In: GW, Bd. 3, S. 414 ff.; Militarismus und Volksfreiheit. Rede am 7. März 1914 in einer von der Sozialdemokratischen Partei einberufenen Volksversammlung in Freiburg i. Br. In: ebenda, Bd. 7/2, S. 825.) In dieser Rede habe sie gesagt, in der deutschen Armee seien Soldatenmißhandlungen an der Tagesordnung. Rosa Luxemburg bekannte sich zu dieser Äußerung. Siehe S. 882 ff. „Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Freude mir die Sache macht“, schrieb sie an Eva und Franz Mehring am 22. Mai 1914. „Wieder also ein Prozeß, in dem nicht etwa ein Lapsus linguae, eine Dummheit oder Ungeschicklichkeit des Redners zu Gericht steht, sondern elementare Wahrheiten, notwendige Bestandteile unserer politischen Aufklärung.“ Siehe GB, Bd. 4, S. 347. An Clara Zetkin hieß es: „Sie wollen mich also niederhetzen mit Prozessen, aber ich lasse mir die gute Laune nicht verderben.“ Ebenda, S. 348. Bei der Staatsanwaltschaft bzw. beim Oberstaatsanwalt beriet man Mitte Mai 1914 insgeheim, „ob man zu einem großen Schlag ausholen soll“. „Liebling“, schrieb sie am 22. Mai 1914 an Paul Levi, „die Anklage ist da: vor dem Landgericht II Berlin (die schlimmste Strafkammer Berlins, wie mir R[osenfeld] sagte), Kläger der Kriegsminister, auf §§ 186, 196, 200, 61. Wir werden also die Militärmißhandlungen aufrollen.“ Siehe GB, Bd. 5 S. 437 und 439. Clara Zetkin gegenüber klagte sie angesichts des Hin und Her wegen der Aufrufe an Betroffene und Zeugen von Soldatenmißhandlungen: „Vom Parteivorstand und der Fraktion werde ich behandelt wie eine Verbrecherin.“ Siehe GB, Bd. 4, S. 348. Ihren Artikel Unser Kampf gegen Kasernenrohheit siehe S. 877 ff. Erst am 23. Juni 1914, wenige Tage vor Prozeßbeginn, erschien im Vorwärts (Berlin) ein Aufruf Gegen die Militärmißhandlungen, Zeugen heraus! Mitte Juni 1914 hatte sie sich mit ihren Rechtsanwälten Dr. Kurt Rosenfeld und Dr. Paul Levi entschlossen, keinen Terminaufschub zu beantragen, obwohl die Behandlung ihres Antrages auf Revision des Urteils des Frankfurter Landgerichts II vom 20. Februar 1914 auf den 27. Juni 1914 vor dem 1. Strafsenat des Reichsgerichts in Leipzig festgelegt worden war. Dieser Termin wurde am 18. Juni 1914 auf den 22. Oktober 1914 verschoben und fand schließlich gar nicht statt. Die Revision wurde abgelehnt. Die Annahme des 29. Juni 1914 für den 2. Prozeß war von der Angeklagten und ihren Verteidigern insofern für etwas problematisch angesehen worden, weil das Ergebnis des Revisionsprozesses hätte evtl. auf den 2. Prozeß verschärfend wirken können. Siehe AdsD, Bonn, Nachlaß Paul Levi, 1/PLAA000255.

„Es kennzeichnet die politischen Zustände im neuen Deutschland“, vermerkte der Vorwärts (Berlin) in Nr. 174 vom 29. Juni 1914, „daß gegen die Greuel der Soldatenschinderei die Sozialdemokratie ganz allein den Kampf führen muß. Die bürgerlichen Parteien haben das längst aufgegeben. Seit Wochen vergeht, wie gesagt, kein Tag, an dem nicht ein Kriegsgericht die Schuldigen wegen Mißhandlungen verurteilt, aber auch in der freisinnigen Presse wird man vergebens auch nur die Registrierung dieser Fälle suchen. Mit christlicher Liebe wird über diese Schandtaten geschwiegen. Die Sozialdemokratie allein legt den Finger in die Wunde. Sie muß dabei zugleich eines der wichtigsten bürgerlichen Rechte, das Recht der öffentlichen Kritik, verteidigen, das man zu vernichten sucht.“ Die Angeklagte habe einen umfangreichen Wahrheitsbeweis für ihre Behauptung angeboten. Das Gericht habe aber die Ladung aller Zeugen abgelehnt, ebenso die beantragte Einforderung von Urteilen der Kriegsgerichte aus den letzten sechs Jahren, die in Prozessen wegen Soldatenmißhandlungen ergangen sind. Siehe Vorwärts (Berlin), Nr. 173 vom 28. Juni 1914. – Siehe auch die Presseausschnitte aus weiteren sozialdemokratischen Zeitungen über den Soldatenmißhandlungsprozeß. In: SAPMO-BArch, NY 4002/63, Bl. 1 ff.