Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1116

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-7-2/seite/1116

Das geflickte Dach

[1]

Der neue Justizminister Dr. Kurt Rosenfeld glaubt als neuer Besen verpflichtet zu sein, gut zu kehren. So veröffentlicht er als Neuestes eine Verfügung, nach der das brüchige Dach, unter dem der Kapitalismus wohnt, das Gefängniswesen, neu geflickt werden soll. Es wird das Schweigegebot aufgehoben, der Briefverkehr freier gestaltet und anderes mehr.

Wenn man schon glaubt, an dem unsinnigen System des Gefängniswesens festzuhalten, so gab es wohl bessere Reformen. Gab es keine Möglichkeit, die konzentrische kapitalistische Ausbeutung, die Gefängnisarbeit zu beseitigen? Gab es keine Möglichkeit, einzuführen, was selbst der russische Zarismus schon konnte, die Selbstverwaltung der Gefangenen?

Aber man muß vielleicht selber gesessen haben, um zu wissen, was fehlt.

Die Rote Fahne (Berlin),

Nr. 41 vom 27. Dezember 1918.

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[1] Der Artikel ist nicht gezeichnet, aber vermutlich von ihr. Siehe Eine Ehrenpflicht. In: GW, Bd. 4, wo es S. 406 heißt: „Liebknecht und ich haben beim Verlassen der gastlichen Räume, worin wir jüngst hausten – er seinen geschorenen Zuchthausbrüdern, ich meinen lieben armen Sittenmädchen und Diebinnen, mit denen ich dreieinhalb Jahre unter einem Dach verlebt habe –, wir haben ihnen heilig versprochen, als sie uns mit traurigen Blicken begleiteten: Wir vergessen euch nicht!

Wir fordern vom Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates eine sofortige Linderung des Schicksals der Gefangenen in allen Strafanstalten Deutschlands!

Wir fordern die Ausmerzung der Todesstrafe aus dem deutschen Strafkodex.“ Siehe auch S. 636 f.