Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 964

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Protokoll der Vernehmung Rosa Luxemburgs in den Voruntersuchungen gegen Jaculy, Lungwitz, Wolf, Schröder und Haberland zum Flugblatt „2½ Jahre Zuchthaus“ am 11. August 1916 im Berliner Frauengefängnis

[1]

Berlin, am 11. August 1916.

In den Voruntersuchungen gegen Jaculy, Lungwitz, Wolf, Schröder und Haberland wegen versuchten Landesverrates wurde im Frauengefängnis Barnimstraße Nr. 10 die in militärischer Sicherheitshaft befindliche Frau Dr. jur. Rosa Luxemburg geschiedene Lübeck vorgeführt[2] und damit bekanntgemacht, daß sie als Zeugin über die Verbreitung des Flugblattes „2 ½ Jahre Zuchthaus“ die Verfasserschaft und die Herstellung desselben sowie anderer Flugblätter, ferner über eine am 6. Juli 16 in Leipzig in Kasslers Festsälen abgehaltene sozialdemokratische Versammlung vernommen werden soll.

Zur Person:

Ich heiße Rosa Luxemburg, gesch. Lübeck, bin seit 5 Jahren als konfessionslos, Dr. juris, Schriftstellerin, in Berlin-Südende, Lindenstraße 2, wohnhaft, mit den vier [sic!] genannten Angeschuldigten nicht verwandt oder verschwägert.

Zur Sache:

Ich verweigere die Aussage, da ich es einem Sozialdemokraten für unwürdig halte, in einem solchen Falle wie dem vorliegenden auszusagen, auch wenn er etwas weiß. Denn ich betrachte derartige Prozesse als eine Äußerung der bestehenden Militärdiktatur, die ich in keiner Weise unterstützen und anerkennen kann. Es handelt sich im vorliegenden Fall um einen politischen Prozeß, den ich nicht als eine Äußerung der Rechtsprechung, sondern als eine politische Verfolgung betrachte.

Auf Vorhalt, daß die vorstehenden Ausführungen kein Grund der Zeugnisverweigerung im Sinne der §§ 51, 52, 54 der Strafprozeßordnung abgeben und auf weiteren Vorhalt, ob sie sich durch die Aussage etwa selbst einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen würde, erklärt sie weiter:

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[1] Überschrift der Redaktion.

[2] Rosa Luxemburg war seit 10. Juli 1916 in militärischer Sicherheitshaft, vom 10. bis 20. Juli 1916 im Polizeigefängnis am Alexanderplatz, ab 21. Juli 1916 im Frauengefängnis in der Barnimstraße 10. Siehe S. 954 und S. 955 ff.