Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 754

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Über den politischen Massenstreik. Rede am 22. Juli 1913 in der sozialdemokratischen Wahlvereinsversammlung für den IV. Berliner Reichstagswahlkreis

[1]

Nach einem Polizeibericht

Die Genossin Dr. Rosa Luxemburg sprach über den politischen Massenstreik.[2] Zu Anfang ihrer Ausführung trat sie sehr eifrig für den Massenstreik ein. In ihrer weiteren Rede bemerkte sie aber, damit rechnen zu müssen, daß die breite Volksmasse sich nicht an dem Streik beteiligen werde, da noch Tausende von Arbeitern nicht organisiert seien. Ferner berührte sie den Streik in Belgien[3] und unterwarf die Kapitalisten einer scharfen Kritik, die nur aus diesem Grunde den Krieg haben wollen, damit sie sich die Taschen füllen können. Mit einer weiteren Kritik über das Vorgehen der preußischen Regierung und den Reichskanzler schloß sie ihre Rede.

In der Diskussion sprachen verschiedene Mitglieder für und gegen die Ausführungen der Genossin Luxemburg. Es entstand in dem Saal unter den Anwesenden ein so großer Lärm, daß man kein Wort verstehen konnte. […]

Rosa Luxemburg fühlte sich über die Kritik, welcher ihre Ausführungen unterzogen wurden, sehr beleidigt.

LAB, A Pr. Br. Rep. 030, Nr. 15909, Bl. 2-3.

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[1] Überschrift der Redaktion.

[2] Den ausführlichen Pressebericht über die Rede zum politischen Massenstreik und über das Schlußwort am 22. Juli 1913 siehe in: GW, Bd. 3, S. 259 ff. – Siehe zum Thema auch ihr Referat am 10. August 1913 in Rummelsburg, S. 760 ff.

[3] Am 14. April 1913 hatte in Belgien ein politischer Massenstreik für das allgemeine Wahlrecht begonnen, der seit Juni 1912 durch ein spezielles Komitee organisatorisch, finanziell und ideologisch im ganzen Lande sorgfältig vorbereitet worden war. An dem Streik beteiligten sich etwa 450000 Arbeiter. Am 24. April 1913 beschloß der Parteitag der Belgischen Arbeiterpartei den Abbruch des Streiks, nachdem sich das belgische Parlament dafür ausgesprochen hatte, die Reform des Wahlrechts in einer Kommission erörtern zu lassen.