Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 954

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Rede am 6. Juli 1916 in einer geheimen sozialdemokratischen Versammlung in Kasslers Festsälen in Leipzig-Volkmarsdorf

[1]

Nach einem Polizeivermerk über Angaben eines Polizeispitzels[2]

Gegen 9 Uhr sei die Luxemburg am Rednerpult erschienen und habe eine rein politische Rede gehalten.

Ihre Ausführungen seien dahin gegangen, daß die soz[ial]demokratische Arbeitsgemeinschaft mehr für einen baldigen Frieden eintreten müsse. Durch die Waffen könne eine Änderung nicht mehr herbeigeführt werden. In diesem Sinne müßten die Wähler auf ihren Vertreter im Reichstag, [Friedrich] Geyer, einwirken.

Die Person Liebknechts habe sie angeblich nicht erwähnt. Der Einberufer der Versammlung ist noch nicht zu ermitteln gewesen.[3]

Polizeiamt Leipzig, Politische Abteilung,

Krim.-Schutzmann Kühn, 21. Juli 1916, Kopie.

SAPMO-BArch, NY 4002/61, Bl. 76.

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[1] Überschrift der Redaktion.

[2] An der Versammlung nahmen 100–150 Personen teil. – Eine ähnliche Versammlung meldete ein Polizeilicher Oberwachtmeister an die Herzögliche Polizeidirektion in Braunschweig. Am 8. Juli 1916 hielt Rosa Luxemburg im Spiegelsaal des Wilhelmsgarten eine eineinhalbstündige Rede „über die allgemeine politische Lage, namentlich über die Richtung der Scheidemänner“. Siehe Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, Polizeidirektion Braunschweig, 133 Neu, Nr. 2279, Bl. 1 f.

[3] Vom Oberkommando in den Marken, dem Chef des Stabes, erging am 17. Juli 1916 an Exzellenz Wahnschaffe in der Reichskanzlei folgende Information: „Über die bekannte radikal-sozialistische Agitatorin Dr. Rosa Lübeck geb. Luxemburg (Rosa Luxemburg) ist am 8. 7. 16 unter J.Nr. P 90059 im Interesse der öffentlichen Sicherheit bis auf weiteres die militärische Sicherheitshaft verhängt worden.

Streng vertraulichen Nachrichten zufolge ist die Luxemburg die geistige Urheberin einer Anzahl von Flugschriften, die unter den Überschriften: ‚Was ist mit Liebknecht‘, ‚Hunger‘, ‚Hundepolitik‘ u. ä. [Siehe GW, Bd. 4, S. 190 ff.] sich mit dem Fall Liebknecht beschäftigen und im Sinne der sogenannten ‚Internationale‘ die Arbeiter zu Sympathiestreiks für Liebknecht und teilweise zum Generalstreik auffordern.

Die Flugblätter sind hier verboten und ihre Beschlagnahme ist angeordnet worden. Außerdem hat die Luxemburg auch sonst in der radikal-sozialistischen Bewegung eine äußerst rege und aufhetzende Tätigkeit entwickelt. So hat sie am 1. Mai d. Js. mit Liebknecht an der Demonstration auf dem Potsdamer Platz teilgenommen, wobei dieser von ihrer Seite weg festgenommen wurde, und steht dauernd in enger Verbindung mit den radikalsten Elementen der Internationale wie Eichhorn, Mehring, Dr. Meyer u. a., die unter ihrem Einfluß völlig in ihrem Fahrwasser segeln.“ Siehe SAPMO-BArch, NY 4002/61, Bl. 68.

Die am 8. Juli 1916 verfügte Sicherheitshaft wurde am 10. Juli 1916 vollzogen. Siehe RGASPI, Moskau, Fonds 191, Nr. 628, Bl. 94 ff. – Schon am 8. Februar 1916, also schon vor ihrer Entlassung aus dem Frauengefängnis in der Barnimstraße 10 am 18. Februar 1916, war bereits von v. Jagow erwogen worden, sie nach dem Haftjahr sofort in militärische Sicherheitshaft zu überführen. Es sei ohne weiteres anzunehmen, „daß sie, freigelassen, ihre ganze, nicht zu unterschätzende Agitationskraft in Wort und Schrift der Unterstützung des äußersten radikalen Flügels unserer Sozialdemokratie widmen wird“. Siehe ebenda, Bl. 77.