Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 671

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Befremdende Kampfmethoden

[1]

Aus Krakau ist uns, wie wohl anderen Parteiredaktionen und namhaften Genossen, eine Mitteilung zugegangen, worin vor dem in Warschau erscheinenden legalen Arbeiterblatt „Ml⁄ot“ (Der Hammer) gewarnt wird. Die Genossen Bebel, Jaurès und andere, die an das Blatt Sympathiekundgebungen geschickt haben, seien das Opfer einer Irreführung geworden, denn das genannte Warschauer Wochenblatt sei „ein konterrevolutionäres Blatt“, dessen Unterstützung einer Schädigung der polnischen Parteibewegung gleichkomme.[2] Demgegenüber sei nun festgestellt, daß die Krakauer Einsender sich im Irrtum befinden. Solche Männer wie Genosse Bebel oder Jaurès sind sicher über den politischen Charakter eines Blattes, dem sie ihre Sympathie aussprechen, und über Personen, die an ihm mitarbeiten, ganz genau informiert. Ein Blatt, an dem Karski [Julian Marchlewski], Rosa Luxemburg, der Abgeordnete der Petersburger Arbeiter in der zweiten Duma, Aleksinski, Rappoport, Oda Olberg ständige Mitarbeiter sind, als „konterrevolutionär“ zu denunzieren, ist denn auch ein so grotesker Einfall, daß selbst der größte Unwille über das Bestehen und Gedeihen des Warschauer Marxistenblattes so plumpe Kampfmittel nicht zu entschuldigen vermag. Sollte mit der Bezeichnung „konterrevolutionär“ etwa angedeutet werden, daß das Warschauer Blatt unter anderem nationalistische Seitensprünge sowie terroristische Abenteuer verurteilt, so stehen ja die meisten Sozialdemokraten in allen Ländern, namentlich aber die deutsche Sozialdemokratie, auf dem gleichen Standpunkt.

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[1] Der Artikel ist nicht gezeichnet. Nach Briefen an Leo Jogiches vom 14. und 25. Dezember 1910 ist Rosa Luxemburg die Verfasserin. Siehe GB, Bd. 3, S. 274 ff. – In der RL-Bibliographie von Feliks Tych, 1971 (Feliks Tych: Uzupelnienia do Bibliographii Prac [Pierwodruków] Rózy Luksemburg. In: Z pola walki 1971, Nr. 1), ist er unter Nr. 49 verzeichnet.

[2] Das Auslandskomitee der PPS-Revolutionäre Fraktion (Frakcsja Rewolucyjna), zu der nach der Spaltung der PPS 1906 u. a. Jósef Pil⁄sudski und Witold Jodko-Narkiewicz gehörten, verleumdete die Redaktion des Ml⁄ot in seinem Organ Przedswit (Morgenröte) im Dezember, Nr. 12, S. 823: „Dieses Grüppchen gibt in Warschau unter Zarenzensur die Zeitschrift ‚Ml⁄ot‘ heraus. Diese Zeitschrift wird nach Art eines Revolverblatts herausgegeben und kompromittiert mit ihrem Auftreten die sozialistische Idee, die es angeblich verteidigt. So wird das Mitwirken ausländischer Genossen in diesem ‚Organ‘ derart erklärt, als ob die sich solidarisieren würden mit der konterrevolutionären Haltung der Herausgeber von ‚Ml⁄ot‘. Um so mehr, da diese Beiträge neben den nichtswürdigen Angriffen der Herausgeber von ‚Ml⁄ot‘ auf die polnische sozialistische Bewegung abgedruckt werden. […] Angesichts dessen kann jedwede moralische Unterstützung für die Gruppe um ‚Ml⁄ot‘ (und als eine solche muß das Mitwirken angesehen werden) nicht anders betrachtet werden denn als Willen, die polnische sozialistische Bewegung zu schädigen.“ Übersetzung aus dem Polnischen von Holger Politt.