Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 965

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Das letztere ist nicht der Fall. Im übrigen bleibe ich bei der Verweigerung meiner Aussage.

Nach Verlesen erklärte die Zeugin:

Ich bitte, in dem letzten Absatz des Vorgelesenen die Worte: „Das letztere ist nicht der Fall“ zu streichen. Die Streichung des genannten Satzes bitte ich nur deshalb vorgenommen zu haben, weil ich auch nur indirekt keine Aussage machen will.

Auf Vorhalt, daß die Zeugin sich der Bestrafung nach § 69 Str.P.O. Abs. 1 – 3 aussetze, erklärt die Zeugin:

Das kann ich nicht ändern. Da muß ich eben die Bestrafung über mich ergehen lassen.[1]

Vorgelesen, genehmigt und mit

Dr. Rosa Luxemburg

unterschrieben.

Schwarze Ref[erendar] Sändig

BArch R 3003/4704 (Az. C 47/16).

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[1] Durch das Königliche Schöffengericht zu Leipzig wurde Rosa Luxemburg am 20. März 1917 kostenpflichtig verurteilt wegen Vergehen nach Ziffer 2 der Verfügung der kommandierenden Generäle des XII. und XIX. Armeekorps vom 2. August 1915, und zwar zu sechs Wochen Gefängnisstrafe. Ihre Berufung gegen das Urteil wurde am 19. Juni 1917 von der V. Strafkammer des Königlichen Landgerichts zu Leipzig verworfen. Siehe RGASPI, Moskau, Fonds 192, Verz. 1, Nr. 84, Bl. 6 und 14. Als Gründe wurden angeführt: „Nach alledem steht fest, daß die Angeklagte am 6. Juli 1916 in Kasslers Festsälen zu Leipzig-Volkmarsdorf in einer dort abgehaltenen nichtöffentlichen Versammlung von solchen Anhängern der sozialdemokratischen Partei, die im 13. Reichstagswahlkreise Leipzig-Land ein Parteiamt bekleiden, welche Versammlung von etwa 100 Personen besucht war, einen ungefähr einstündigen Vortrag gehalten hat, der sich mit den äußeren und inneren politischen Verhältnissen anläßlich des Krieges befaßte, ohne daß dieselbe, die unter Ziffer 2 der Verfügung der kommandierenden Generäle des XII. und XIX. A. K. für die Bereiche der stellv. Generalkommandos dieser Armeekorps, wozu auch die Stadt Leipzig gehört, vom 2. August 1915 erforderliche polizeiliche Genehmigung erhalten hatte. Damit hat die Angeklagte den Bestimmungen unter 2 der eben erwähnten Verfügung zuwider gehandelt.

Diese Zuwiderhandlung war nach den Ergebnissen der Berufungsverhandlung eine vorsätzliche. Die Angeklagte, die bei ihren richterlichen Vernehmungen es abgelehnt hat, sich über die ihr schuldgegebene strafbare Handlung zu äußern, ist Anhängerin der sozialdemokratischen Partei und zwar der extremradikalen Richtung dieser Partei, sie ist Schriftstellerin, ist schon seit Jahren als Agitatorin, besonders auch als Rednerin für die von ihr vertretenen Parteianschauungen tätig, sie ist juristisch gebildet. Der Angeklagten war, wie hiernach das Gericht ohne weiteres für erwiesen ansieht, wohl bekannt, daß unter der Herrschaft des seit dem Ausbruch des Krieges für das Gebiet des Deutschen Reiches bestehenden Kriegszustandes von den einzelnen zuständigen Militärbehörden für die ihnen unterstehenden Bezirke Verfügungen getroffen wurden, durch die das Vereins- und Versammlungsrecht wesentlich eingeschränkt wird, besonders auch in der Richtung, daß das Halten von Vorträgen, die sich mit den politischen Verhältnissen anläßlich des Krieges befassen, in öffentlichen und auch in nichtöffentlichen Versammlungen von vorheriger polizeilicher Genehmigung abhängig gemacht wird, und daß Anordnungen dieser Art namentlich auch für solche Bezirke getroffen worden sind, in denen die extreme Richtung der Sozialdemokratie und die der Bewilligung weiterer Kriegkredite abgeneigte Reichstagsfraktion, der „sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft“, zahlreiche Anhänger hat, wie dies in Leipzig der Fall ist. Darum ist das Berufungsgericht überzeugt, daß die Angeklagte, als sie am 6. Juli v. J. ihren Vortrag hielt, entweder Kenntnis davon gehabt hat, daß für Leipzig ein Verbot, Vorträge des bezeichneten Inhalts ohne polizeiliche Genehmigung zu halten bestand und Zuwiderhandlungen mit Strafe bedroht war, oder daß sie doch der sie hier sehr nahe liegenden Möglichkeit, daß eine solche Anordnung für Leipzig getroffen und Verstöße dagegen unter Strafe gestellt waren, sich bewußt war, sich somit bewußt auf die Gefahr hin, eine derartige Verfügung zu verletzen und sich dadurch strafbar zu machen gehandelt hat.“ Siehe RGASPI, Moskau, Fonds 192, Verz. 1, Nr. 84, Bl. 15–17.