Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 923

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18. März Jetzt ist ein Monat voll.
20. März Heftiges Schneetreiben, kein Spaziergang.
23. März

Heute las ich das im „Kaufmann von Venedig“: Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst, den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, taugt zu Verrat, zu Untaten und Tücken;

die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht, sein Trachten düster wie der Erebus. Traut keinem solchen![1] Porzia sagt im Kaufm(ann) v(on) Ven(edig). Mich deucht, die Nachtigall, wenn sie bei Tage sänge wo alle Gänse schnattern, hielt man sie für keinen bessern Spielmann als den Spatz.[2] Aber das ist ein arger Irrtum, holde Porzia. Die

Nachtigall singt bei Tage zu allen Tagesstunden. Und mit Vor-liebe hält sie sich in kleinen Anlagen an den Bahnhöfen auf.

25. März

5 Wochen voll.

In König Johann 2. Aufzug 6. Szene sagt der Bastard Richard Löw(enherz): Und warum schelt ich auf den Eigennutz? Doch nur, weil er bis jetzt nicht um mich warb, nicht, weil ich stark genug die Hand zu schließen, wenn seine schönen Engel sie begrüßten: Nein, sondern weil die Hand, noch unversucht, dem armen Bettler gleich, den Reichen schilt. Gut, weil ich noch ein Bettler, will ich schelten und sagen, Reichtum sei die einz’ge Sünde; und bin ich reich, spricht meine Tugend frei, kein Laster geb’ es außer Bettelei.[3]

[1] Bei William Shakespeare heißt es im Kaufmann von Venedig, 5. Aufzug, Erste Szene bei Lorenzo: „Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst, / Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, / Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken; / Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht, / Sein Trachten düster wie der Erebus. / Trau keinem solchen! – Horch auf die Musik!“

[2] Es heißt bei William Shakespeare: „Die Krähe singt so lieblich wie die Lerche, / Wenn man auf keine lauschet; und mir deucht, / Die Nachtigall, wenn sie bei Tage sänge, / Wo alle Gänse schnattern, hielt‘ man sie / Für keinen bessern Spielmann als den Spatz.“

[3] In Leben und Tod des Königs Johann heißt es bei William Shakespeare: „Und warum ziehe ich wider dieses Interesse los, als weil es noch bisher nicht um mich gebuhlt hat; nicht, weil ich die Stärke hätte die Hand zuzuschließen, wenn seine schönen Engel mir die ihrige darreichen würden; sondern weil meine Hand, die noch immer leer gelassen worden, gleich einem armen Bettler über die Reichen schmäht. Wohl dann, so lang ich ein Bettler bin, will ich über die Reichen schmähen, und sagen, es sey keine grössere Sünde als reich seyn: Und wenn ich reich bin, dann soll meine Tugend darinn bestehen, daß ich behaupte, es sey kein Laster als Dürftigkeit.“

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