Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 837

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durchgreifendes Mittel. Das ist wiederum nichts anderes als die durch die Sozialdemokratie besorgte Aufrüttelung derjenigen, die man in den Rock des Königs steckt. Bebel hat einmal im Reichstag darauf hingewiesen, daß in der holländischen Kolonialarmee ein Soldat das Recht hat, den Offizier niederzuschlagen, der sich herausnimmt, ihn zu mißhandeln.[1] Der Frankfurter Staatsanwalt hat es mir verübelt, daß ich in jener Versammlung diese Worte Bebels verlesen habe. Ist es zum Schutze des Vaterlandes notwendig, daß man die Soldaten mit Füßen tritt? Wir Sozialdemokraten sind Umstürzler, aber wir sind zu gleicher Zeit Realpolitiker, die auf dem harten Boden der Tatsachen stehen. Wir sind uns deshalb klar, daß der ewige Friede, die internationale Solidarität, die Sehnsucht der größten Meister der klassischen deutschen Philosophie, erst dann ermöglicht wird, wenn es uns gelungen ist, die kapitalistische Gesellschaftsordnung mit Stumpf und Stiel auszurotten. Solange das nicht der Fall ist, sind Kriege unvermeidlich, das sagen wir ganz offen. Und wir Sozialdemokraten denken nicht daran, das Vaterland wehrlos zu machen. Im Gegenteil! Wir sind die einzigen, die es erst wehrhaft machen wollen. Wir allein fordern in unserem Programm die allgemeine Volkswehr;[2] erst wenn diese durchgeführt ist, gilt der Spruch: Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Welchem Feind sollte es dann noch einfallen, das Deutsche Reich über Nacht mit Krieg zu überziehen, wenn es sicher wäre, daß jeder freie Mann aus eigenem Antriebe sich erheben würde, um das Vaterland zu schützen?

Aber das Milizsystem, das wir vorschlagen, eignet sich nicht zu Eroberungskriegen imperialistischen Charakters, zu weltpolitischen Abenteuern, die Miliz dient nicht dazu, anderen das Vaterland zu entreißen. Als solches Instrument kann nur das heute bestehende Militärsystem benützt werden, das die Soldaten heranzieht als blindes Werkzeug, das sich auch zu dem Niederträchtigsten hergibt, auf Vater und Mutter zu schießen. (Pfui!) Denn das ist ja die Spitze des Militarismus, den inneren Feind zu bekämpfen, wenn er seine Rechte verteidigt. Da kommen wir an den Punkt, wo keine Verständigung mehr möglich ist, da gilt für uns, die wir den Militarismus bekämpfen, ein militaristisches Wort: Pardon wird nicht gegeben!

Der Militarismus ist die Hochburg aller Reaktion und Volksfeindlichkeit, auf ihm beruht das Scharfmachertum, das jetzt ausgeht, dem Arbeiter sein wichtigstes Recht, das Koalitionsrecht, zu entreißen.[3] Der Militarismus bedroht das Verfassungsleben mit Staatsstreich, und diese Staatsstreichler sind die kräftigsten Stützen der Monarchie. Daher ist es politische Pflicht, gegen diesen Militarismus und seine Alliierten zu kämpfen bis aufs Messer.

Das Parlament ist unter dem Einfluß der militaristischen Reaktion zur Jasagemaschine geworden. Jede bürgerliche Opposition ist verschwunden, an der Spitze des deutschen politischen und öffentlichen Lebens, gestützt auf Militarismus und Mon-

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[1] Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags. VIII. Legislaturperiode. II. Session 1892/93. Dritter Band, Berlin 1893, S. 1569.

[2] Gemeint ist die Forderung im Programm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, das vom Erfurter Parteitag 1891 angenommen worden ist, die lautet: „Erziehung zur allgemeinen Wehrhaftigkeit. Volkswehr an Stelle der stehenden Heere. Entscheidung über Krieg und Frieden durch die Volksvertretung. Schlichtung aller internationalen Streitigkeiten auf schiedsgerichtlichem Wege.“ Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Erfurt vom 14. bis 20. Oktober 1893, Berlin 1891, S. 4.

[3] Siehe Rosa Luxemburg: Um das Koalitionsrecht. In: GW, Bd. 3, S. 372 ff.