Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 836

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ein Riese geschildert, dräuend gegen die Feinde von außen und die Feinde im Innern. Und dieser Riese zittert vor der Meuterei von zwölf Soldaten. (Heiterkeit.) Wer sich so vor der sozialdemokratischen Agitation fürchtet, zeigt, daß ihm das abhanden gekommen ist, was das Pfand ist für Sieg und Macht: der Gaube an sich selbst. Hinter der preußisch-deutschen Brutalität verbirgt sich innere Schwäche und Feigheit!

Mit solcher Auffassung unserer antimilitaristischen Agitation tut man uns aber bitter unrecht. Wir haben unendlich gefährlichere Pläne. (Beifall und Heiterkeit.) Wir wollen die gewaltige weltgeschichtliche Entflammung der gesamten Millionen des arbeitenden Volkes gegen das Unrecht der bestehenden Gesellschaftsordnung. (Stürmischer Beifall.) Demgegenüber erscheint es als tragikomische Lächerlichkeit, uns die Anstiftung kleiner Meutereien in Kasernen unterzuschieben. Das ist der Ausfluß jener Auffassung, daß Armee und Volk etwas Verschiedenes seien. Nach unserer Auffassung ist die Armee die große Masse der einfachen Soldaten, die die breite Basis der militärischen Pyramide ausmacht. Wir brauchen daher nichts anderes zu tun, als was wir täglich tun: die Köpfe dieser Volksmassen aufzuklären, und uns ist nicht bange darum, daß der Kopf des aufgeklärten deutschen Arbeiters etwas dümmer wird, wenn man ihm die Pickelhaube aufsetzt. Wir verlassen uns ruhig darauf, daß die Herzen der deutschen Arbeiter, die wir für die Ideale der Völkerverbrüderung, der internationalen Solidarität, der Menschlichkeit und der Kultur einmal gewonnen haben, die Gebote der Menschlichkeit nicht vergessen werden, wenn sie im Rock des Königs stecken. (Sehr richtig!) Darum haben wir es gar nicht nötig, uns vor die Kasernen zu stellen und den Soldaten zu sagen: Ihr sollt nicht schießen!

Und glaubt man vielleicht, daß wir je, etwa aus Furcht vor drakonischen Strafen, auf diesen Kampf gegen den Militarismus verzichten werden. Da müßten wir ja verzichten auf alles, was Herz und Seele unserer ganzen Arbeit, unserer ganzen Existenz, unserer historischen Mission ausmacht.

Der Frankfurter Staatsanwalt sprach auch als deutscher Patriot gegenüber einer heimatlosen roten Rotte. Ich glaube, wenn irgendjemand in deutschen Landen das Recht hat, mit gehobener Stirn das Wort Vaterland in den Mund zu nehmen, so sind es wir Sozialdemokraten, denn was ist Vaterland anderes als die gewaltige Volksmasse der Nation, die moralische und materielle Hebung der Volksmassen. Spricht man uns aber von jener Seite vom Vaterland, so fragen wir auch, wie geht es den deutschen Vaterlandsverteidigern in den deutschen Kasernen? In letzter Zeit häufen sich die Fälle von Soldatenmißhandlungen,[1] daß das offizielle Deutschland, wenn es noch ein bißchen Gefühl für Kultur und Scham hat, das Gesicht vor der Welt verhüllen müßte. (Sehr richtig!) Doch was braucht sich auch ein einfacher Soldat gekränkt zu fühlen, wenn ihn ein Unteroffizier Lump nennt. Das Ehrgefühl ist ja das Monopol der Herren Forstner und Reuter, das Volk, diese Kanaille, hat nur zu gehorchen! Es gibt allerdings ein

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[1] Siehe Rosa Luxemburg: Notizen zur Prozeßvorbereitung über Soldatenmißhandlungen. In: GW, Bd. 7/2, S. 853 ff.