Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 835

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Staates sind, sondern die Faust des Militarismus, die kann zwar über einen armen kleinen Sünder der Sozialdemokratie die Lappalie von einem Jahr Gefängnis aussprechen, über sich selbst aber hat sie das Todesurteil gefällt. (Lebh[afte] Zustimmung.)

Im kleinen hat sich hier das historische Gesetz bestätigt, daß die Sozialdemokratie kein künstliches Produkt der Aufwiegler ist; sie wächst mit Naturnotwendigkeit aus den Verhältnissen heraus, und jeder Schlag gegen uns wird in unserer Hand eine neue blitzende Waffe. Man glaubt, die Sozialdemokratie durch solche Urteile im Kampfe gegen den Militarismus schrecken zu können. Die Sozialdemokratie hat aber in ihrem Aufstieg schon ganz andere Nüsse geknackt. Und wenn ein Mann von Blut und Eisen wie Bismarck trotz Ausnahmegesetz[1] mit uns nicht fertig geworden ist, wie wollen das die Knirpse fertig bringen, die heute an der Spitze stehen. (Lebhafter Beifall und Heiterkeit.)

Der Frankfurter Staatsanwalt hat in seinem Plaidoyer auch die unüberwindliche Kraft unserer antimilitaristischen Agitation besser geschildert, als es ein Sozialdemokrat tun könnte. Er behauptete, ich hätte in meiner Rede die Soldaten zum Ungehorsam aufgefordert. Das ist jenes tragische Mißverständnis zwischen den offiziellen Machthabern von heute und der Sozialdemokratie, das nicht im Gerichtssaal und im Gefängnis, sondern auf dem Schlachtfeld der geschichtlichen Entwicklung ausgetragen wird. In der Auffassung des Staatsanwalts spiegelt sich die ganze Art und Weise, wie man sich oben, wo angeblich die Fäden der Weltgeschichte zusammenlaufen, die Sache vorstellt: die Obrigkeit beschließt den Krieg, und wenn die Soldaten gehorchen, wird Krieg gemacht. Wir Sozialdemokraten erlauben uns, anderer Meinung zu sein. Wir glauben, daß über Krieg und Frieden, über das Wohl und Wehe von Millionen nicht eine Hand voll Generale zu entscheiden hat, sondern daß diese Entscheidung jene Millionen selbst in der Hand haben müssen. (Lebhafter Beifall.) Es ist eine fatale Verblendung der heutigen Machthaber, wenn sie glauben, daß sie die Fäden der Weltgeschichte in ihren schwachen Händen haben. Sie beweisen dadurch, daß sie aus der Geschichte des Klassenstaates nichts gelernt haben. Ein Blick auf die größeren Kriegsperioden lehrt, wie wenig siegreich Kriege sind, hinter denen nicht die Volksmasse steht. Napoleon wurde vom Glück verlassen, als die Massen in Frankreich und Europa empfanden, daß seine Mission zu Ende war. Bismarck hat diese Wahrheit eingesehen, aber wenn heute ein Sozialdemokrat sagt: Über den Krieg hat das Volk zu entscheiden, wird er ein Jahr eingesperrt. (Pfui!)

Der Frankfurter Staatsanwalt meinte auch, ein oder zwei Dutzend derart verhetzter Soldaten könnten plötzlich eine Meuterei hervorrufen und im Kriege könnte eine solche Meuterei ein Gefecht zum Stillstand bringen und die schlimmsten Folgen haben. Der Staatsanwalt hat mit dieser Schilderung den Militarismus der Lächerlichkeit preisgegeben. (Sehr richtig!) Sonst wird uns doch der deutsche Militarismus als

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[1] Das mit 221 gegen 149 Stimmen im Deutschen Reichstag am 19. Oktober 1878 auf Druck von Otto von Bismarck angenommene Gesetz „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ trat am 21. Oktober 1878 mit seiner Verkündung in Kraft. Es stellte die deutsche Sozialdemokratie außerhalb des Gesetzes, unterwarf ihre Mitglieder Verfolgungen und Schikanen und erschwerte die Arbeit der Partei außerordentlich. Unter Druck der Massen und angesichts der Differenzen innerhalb der herrschenden Klassen, die sich im Reichstagswahlergebnis am 20. Februar 1890 widerspiegelten, lehnte der Deutsche Reichstag am 25. Januar 1890 mit 169 gegen 98 Stimmen die Verlängerung des Sozialistengesetzes in dritter Lesung ab. Siehe dazu u. a. Nach 20 Jahren. In: GW, Bd. 6, S. 232 ff.