Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 814

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Sie hören, die Agitation gegen den heutigen Militarismus ist ein Angriff auf den Lebensnerv des Staates. Sie sehen, der Lebensnerv unseres heutigen Staates ist nicht der Wohlstand der Massen, nicht die Liebe zum Vaterland, nicht die geistige Kultur, nein, es sind die Bajonette. Das zeigt doch in viel krasserer und aufreizenderer Weise, als ich es könnte, daß ein Staat, dessen Lebensnerv das Mordwerkzeug ist, daß dieser Staat dazu reif ist, daß er zugrunde geht. (Stürmischer Beifall.)

Dieses offene Bekenntnis des Herrn Staatsanwaltes wollen wir festhalten und als wichtigste Lehre mit nach Hause nehmen. Der Lebensnerv des Staates durch seine eignen, offiziellen Vertreter bloßgelegt!

Gegen diesen Lebensnerv wollen wir kämpfen, vom Morgen bis zum Abend mit all unserer Kraft. Wir wollen dafür sorgen, daß dieser Lebensnerv so schnell wie möglich durchgeschnitten wird. (Bravo!)

Wenn preußische Staatsanwälte des rohen Glaubens sind, wenn diese Leute sich in ihrer groben historischen Vorstellung einbilden, daß unser Hauptmittel im Kampfe gegen den Militarismus darin bestehe, daß wir den Soldaten in dem Augenblick hindern wollen, wenn er den Arm hebt, um die Waffe loszudrücken, so irren sie sich. Die Hand wird vom Hirn geleitet. Auf dieses Hirn wollen wir einwirken, durch unser geistiges Sprengpulver. (Stürmischer, lang anhaltender Beifall.)

Und noch etwas möchte ich hier sagen, das ich dem Staatsanwalt zu sagen verschmäht habe. Er hat auf meine besondere Gefährlichkeit hingewiesen, weil ich dem extremsten, radikalsten Flügel unserer Partei angehöre. Aber, wenn es gilt, gegen den Militarismus zu kämpfen, da sind wir alle einig, da gibt es keine Richtungen. (Beifall.) Da stehen wir alle wie eine Mauer gegen diese Gesellschaft. (Stürmischer, brausender, lang anhaltender Beifall.)

Es ist nicht die Rosa Luxemburg allein, es sind heute bereits zehn Millionen Todfeinde des Klassenstaates.

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