Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 777

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Bismarckschen Sozialistengesetztes[1] hat er all ihre Leiden und Opfer ausgekostet, so wie er in dem darauffolgenden Siegeslauf der Bewegung ihr Bannerträger war. Das organisatorische Wachstum der Partei von den ersten schwachen Anfängen bis zur jetzigen Macht und Größe ist jedes Mal unter seiner tätigen und bestimmenden Mitwirkung vor sich gegangen. Die parlamentarische Aktion der Sozialdemokratie entfaltete sich von den ersten tastenden Schritten im Norddeutschen Reichstag[2] bis zu den letzten Jahren unter Bebels maßgebender Führung, so wie auch die ersten gewerkschaftlichen Organisationen der Eisenacher Ende der sechziger Jahre unter seinem Einfluß und nach seinem Plane ins Leben gerufen wurden. Und endlich in allen geistigen Krisen, in allen Ideenkämpfen der Bewegung stand Bebel stets im Brennpunkt des Parteilebens, er wuchs geistig und reifte zusammen mit der Partei: ein Stück der deutschen Sozialdemokratie, ist er in gleichem Maße ihr Produkt und ihr Schöpfer.

Deshalb ist auch, abgesehen von den persönlichen glänzenden Eigenschaften seines Geistes und seines Charakters, das eigentliche Geheimnis der Größe Bebels und seines Lebens das nämliche, wodurch die heutige Größe der deutschen Sozialdemokratie zu erklären ist. Und wie alles wirklich Große, sind beide äußerst einfach zu erklären. Das Verständnis sowohl für die Wichtigkeit und Notwendigkeit des unermüdlichen praktischen Tageskampfes um alles im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsordnung für das Proletariat Erreichbare, eines Kampfes, ohne den die sozialdemokratische Bewegung zu einer in der Luft schwebenden Sektenbewegung werden muß, wie das Verständnis für die Wichtigkeit und Notwendigkeit der revolutionär-prinzipiellen Richtschnur für alles Tun und Lassen der Partei, wie sie nur durch eine konsequente wissenschaftlich-theoretische Basis geschaffen werden kann und ohne welche die proletarische Bewegung zwischen kleinbürgerlich-reformistischem Praktizismus und anarchistischer Geistesverödung haltlos hin und her schwanken muß – die Vereinigung des gegenwärtigen Tageskampfes mit dem revolutionären Prinzip, der Praxis mit der wissenschaftlichen Theorie –, dies der Schlüssel zum Verständnis der Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie, ihrer heutigen Größe und der in ihr verborgenen gewaltigen Kräfte, die sie erst in der Zukunft entfalten wird. Und dasselbe Verständnis für die Notwendigkeit und Vereinigung des praktischen Tageskampfes mit den revolutionären Prinzipien des Sozialismus ist der Schlüssel zum Verständnis des beispiellosen Einflusses, den Bebel auf die Geschicke der deutschen Sozialdemokratie während eines halben Jahrhunderts ausgeübt hat. Nur weil er vom ersten Anfang seiner Laufbahn als Kämpfer des Sozialismus und bis in seine alten Tage mit gleicher Festigkeit, Klarheit und Hingebung den beiden Leitsternen der So-

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[1] Das mit 221 gegen 149 Stimmen im Deutschen Reichstag am 19. Oktober 1878 auf Druck von Otto von Bismarck angenommene Gesetz „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ trat am 21. Oktober 1878 mit seiner Verkündung in Kraft. Es stellte die deutsche Sozialdemokratie außerhalb des Gesetzes, unterwarf ihre Mitglieder Verfolgungen und Schikanen und erschwerte die Arbeit der Partei außerordentlich. Unter Druck der Massen und angesichts der Differenzen innerhalb der herrschenden Klassen, die sich im Reichstagswahlergebnis am 20. Februar 1890 widerspiegelten, lehnte der Deutsche Reichstag am 25. Januar 1890 mit 169 gegen 98 Stimmen die Verlängerung des Sozialistengesetzes in dritter Lesung ab. Siehe dazu u. a. Nach 20 Jahren. In: GW, Bd. 6, S. 232 ff.

[2] August Bebel war am 12. Februar 1867 als erster revolutionärer Arbeiterpolitiker in den Norddeutschen Reichstag gewählt worden. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde am 16. April 1867 angenommen und sah die Wahl des Reichstags nach dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht bei geheimer Stimmabgabe vor.