Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 773

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schaft an dem Parteiorgan zu rehabilitieren, würden wir jede Teilnahme unsererseits an der Untersuchung rundweg verweigern. Für uns als Vertreter einer anderen Sektion der Internationale existiert nur die offizielle Vertretung der deutschen Bruderpartei, der Parteivorstand, und nur diesem sind wir bereit, auf Wunsch alles einschlägige Material zu unterbreiten und die Zeugen namhaft zu machen, die in Betracht kommen und die sämtlich bis auf einen, der neuerdings in Rußland verhaftet worden ist, im Auslande weilen, daher ihre Aussagen machen können.“

Dasselbe schrieben wir an den Parteivorstand nochmals im Januar 1913. Und schließlich antworteten wir dasselbe im März 1913 direkt an die Bremer Kommission selbst, als sie uns um das Belastungsmaterial anging. Dabei teilten wir ihr ausdrücklich mit:

„Wir sind dagegen bereit, jederzeit einer vom Vorstande der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands eingesetzten Kommission – selbstverständlich ohne Anteil der am Ausgang der Untersuchung interessierten Bremer Genossen – das gesamte Material vorzulegen, falls der Parteivorstand eine Nachprüfung der Angelegenheit für erforderlich hält.“

In diesem Briefe erklärten wir noch zum Überfluß, daß wir in einer eventuell vom deutschen Vorstand eingesetzten Kommission auf jede Stimme im voraus verzichten wollten.

Damit nicht genug.

Am 15. März konstatierte der deutsche Parteivorstand selbst – wie uns aus einer Abschrift bekannt – in einem Briefe an A[lfred] Henke:

„daß der Vorstand der S.D.P.L. [SDKPiL] Ihnen die Überlassung des Materials verweigert, weil es die Bremer Organisation als parteiisch ansieht; daß der Vorstand der S.D.P.L., was er uns früher schon mehrfach mitgeteilt hat, bereit ist, das Material uns einzusenden, falls wir in eine Nachprüfung der Angelegenheit R. eintreten wollten.“

Indem die Bremer Kommissionsmehrheit diese Tatsachen verschweigt, erweckt sie wider besseres Wissen den Eindruck, als hätten wir eine Nachprüfung der Sache R. verhindern wollen, und sucht so ihr eigenes merkwürdiges Untersuchungsverfahren sowie die Radeksche Sache selbst in günstigem Lichte erscheinen zu lassen.

Die Bremer Untersuchung, wie sie danach durch die Mehrheit der Kommission geführt worden ist, stellt sich als eine Farce dar. Es genügt festzustellen, daß der Kommission nach ihrem eigenen Bericht als einziges Belastungsmaterial das nackte Urteil des polnischen Parteigerichts vorlag. Radek selbst war nach demselben Bericht der einzige Zeuge und Sachverständige, der in Sachen Radek vernommen worden ist. Die Behauptung des Mehrheitsberichts, das Urteil „dürfte alles enthalten, was Radek vorgeworfen werden konnte“, wird in ihrem Wert durch die Tatsache beleuchtet, daß unser Dossier in Sachen Radek über 100 Schriftstücke enthält, und wir stellen fest, daß nur die völlige Unkenntnis dieses Materials es der Kommission ermöglicht hat, die Verteidigungsargumente Radeks ernst zu nehmen. Daß die Kommissionsmehrheit unter diesen Umständen – ohne einen einzigen Belastungszeugen vernom-

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