Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 758

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geführt in diesem Artikel, daß im Kampfe mit dieser verblödeten Masse, fortgeschrittene Gewerkschaftsführer deshalb vielfach zu einem geradezu traurigen Dasein verurteilt seien. Sie müssen oft „entgegen ihrer eigenen Überzeugung Dinge sagen, welche die Masse“ vertragen kann und haben nur den einen Trost, daß die Masse erst durch Schaden klug werden würde, und daß sie die Sache so schieben können, wie es ihrer weisen Einsicht entspricht, entgegen den Beschlüssen ihrer Kampfgenossen und Auftraggeber. Wer das weiß, welch eigentümliche Vorstellungen selbst über das Wesen des Sozialismus und des Klassenkampfes sowie über die Klassengegensätze in manchen gewerkschaftlichen Kreisen herrschen, der wird sich über nichts mehr wundern:

Der Vorsitzende [Hermann Molkenbuhr] unterbricht hier und bittet zum eigentlichen Thema zurückzukommen. Das hat alles mit dem Massenstreik nichts zu tun.

Rosa Luxemburg erwidert, daß sie hierzu noch ihre Ausführungen machen werde. Sie will nur an Beispielen beweisen, wie fremd und erhaben unsere Gewerkschaftsführer der Masse und deren Aktion gegenübersteht. Dann polemisiert sie gegen den „Vorwärts“ und führt ungefähr folgendes aus: Der „Vorwärts“ erfüllt seine Aufgabe, auch eine theoretische Schulung seiner Leser zu bewirken, absolut nicht. Ein wirklich wertvoller wissenschaftlicher Artikel wird immer seltener in ihm. Wie wenig der „Vorwärts“ selbst in den internsten Parteifragen seine Aufgabe nicht erfüllt, beweisen die ewigen Klagen, daß er nicht zur Stellungnahme zu bringen ist. Er markiert auch in unseren Parteikämpfen und Diskussionen die „unparteiische Presse“, um nicht nach rechts und links auszustoßen und er verstärkt dadurch die Verwirrung und Unsicherheit. In der Propagierung des Massenstreiks hat der „Vorwärts“ bisher nichts geleistet. Ein politischer Massenstreik erfordert vor allen Dingen entschlossene und tatbereite Führer. Und von dieser Entschlossenheit und Tatbereitschaft sei nichts zu merken. Pflicht der Masse wird es sein, sich selbst im gegebenen Moment an die Spitze zu stellen. Auf dem Jenaer Parteitag[1] müsse die sofortige Einberufung eines Preußentages verlangt werden.[2] Hier seien die Kampfmittel zu prüfen und zu schmieden. Die Massen drängen zur Aktion, sie wünschen den Kampf. Sorgen Sie dafür, daß das Feuer, welches die Massen jetzt ergriffen hat, kein Strohfeuer bleibt. Lassen Sie die

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[1] Der Jenaer Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands war für den 14. bis 20. September 1913 vorgesehen.

[2] Gemeint ist die Einberufung eines Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Preußens zur Verstärkung des Kampfes für ein demokratisches Wahlrecht in Preußen. Der 4. Parteitag hatte vom 6. bis 8. Januar 1913 stattgefunden.