Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 757

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werkschaftsführern abhanden gekommen. Schon seit langer Zeit gehen die Bestrebungen der Verbandsvorstände der Zentralverbände darauf hinaus, das alleinige Bestimmungsrecht darüber zu haben, ob ein Streik ein „berechtigter“ also ein unterstützungsberechtigter ist. Die Verbandsvorstände argumentieren dabei so: „Haben die Verbandsvorstände in der Hauptsache die Mittel zu beschaffen, so haben sie auch die Entscheidung zu treffen.“ Das sagt das Correspondenzblatt der Gewerkschaften Deutschlands in Nr. 28 des 7. Jahrgangs.[1] Das sieht danach so aus, als ob die armen Verbandsfunktionäre die Kosten der Lohnbewegungen aus ihrer Tasche zu decken hätten und die Kassen die Hauptsache wären, die Lohnbewegungen lästige Nebenerscheinungen der Gewerkschaftsbewegung. Es ist immer dasselbe alte Lied von der dumpfen trägen Masse, die von oben herunter geleithammelt werden müßte. Dasselbe Lied, das dem Correspondenzblatt der Gewerkschaften Deutschlands[2] folgende Melodie gab: „Die ‚Masse‘ fühlt sich bei ihren beschränkten Kenntnissen nicht nur sehr wohl, sondern kommt sich außerordentlich klug vor.“ Es wird dann weiter aus-

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[1] Siehe Die Aufgaben der Gewerkschaftskartelle. In: Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands (Hamburg), 7. Jg., Nr. 28 vom 12. Juli 1897, S. 154.

[2] Nach Vorträgen von Adolf von Elm vor Gewerkschaftsvertretern, vor allem in einer Parteiversammlung in Hamburg am 26. November 1910, über die das Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands im Januar und Februar 1911 ausführlich berichtet hatten, schieb Gustav Stengele an Karl Kautsky: Elm habe „gegen die bekannte Warnung, die Bebel in Magdeburg aussprach, mit aller Wucht los[gelegt] und predigte dabei das Evangelium von dem unbedingten Vertrauen auf die Führer, das die an sich blinde und unmündige Masse haben müsse […] In einer Parteiversammlung des zweiten Hamburger Wahlkreises, dessen Mitglied v. Elm ist, wurde von allen Rednern, darunter Dr. Laufenberg und ich, scharf Stellung genommen gegen die Verneinung der Demokratie, die in v. Elms Ausführungen liegt“. Siehe IISG, Amsterdam, Kautsky-Nachlaß, D XXI 395. Da er weder im Hamburger Echo noch im Vorwärts (Berlin) mit seinen Ansichten entsprechend abgedruckt wurde, dominierte er im Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands in Nr. 1 vom 7. Januar 1911 mit seinem Vortrag Massen und Führer, in Nr. 8 vom 25. Februar 1911 mit dem Artikel Massen und Führer. 1. Stimmungsmache gegen die Gewerkschaftsführer und in Nr. 9 vom 4. März 1911 mit Massen und Führer. II. Die Bedeutung der ständigen Vertreter-Körperschaft für die Gewerkschaften. Darin ist zu lesen: „Die Massenstimmung ist wandelbar: Heute: Hosiannah, morgen: kreuzigt ihn! Die Massenverhimmelung, die heute im Schwange ist, ist genauso verwerflich wie der Byzantinismus. Man dichtet den Massen Tugenden an, die sie gar nicht besitzen. Vor allem fehlt ihnen die Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit den Gefühlen allein ist es nicht getan. Bei allen Kämpfen ist Kenntnis der Konjunktur erforderlich. […] Nur dadurch, daß wir die Massen zur zweckentsprechenden Interessendemokratie zu erziehen suchen, werden wir Erfolge erzielen. Mit dem demokratischen Mißtrauen gegen die Führer werden wir nur Mißerfolge zeitigen. Die wirklich fähigen und ehrlichen Leute werden sich bedanken, als Handlanger des Massenwillens zu figurieren, und dann werden auf allen Gebieten Unfähige die politische, gewerkschaftliche und genossenschaftliche Arbeiterbewegung in den Sumpf, in die Anarchie führen. […] Und Einhalt müssen wir tun dem demokratischen Treiben einzelner, die mit ihrer Massenverhimmelung die Massen zur Disziplinlosigkeit und damit zur Machtlosigkeit führen.“ Siehe Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, Nr. 1 vom 7. Januar 1911, S. 9/10.