Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 629

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Zentrum sich wieder hinstellen und sagen zum Volk: Wir sind nicht schuld an den mißlichen Verhältnissen, wendet euch an den Großblock; dieser mache die badischen Politik! Dadurch sei der Kampf wieder sehr erschwert. Für die praktische Arbeit der Fraktion könne man nur ein Lächeln haben. Rednerin kommt nun näher auf die Bedeutung der Budgetbewilligung und die Kolbsche Broschüre über die Landtagstätigkeit der Fraktion zu sprechen.[1] Die Annahme oder Ablehnung des Budgets sei der Angelpunkt jedes Parlamentarismus und zieht England als Vergleich an, wo auch die nicht am Ruder befindliche bürgerliche Opposition das Budget ablehne. Sie müsse das Volk aufklären über die Ausbeutung der Massen und bei der Budgetabstimmung erklären: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!

Die Budgetabstimmung müsse die Arbeiter konfus machen. Es sei kein neues Evangelium, daß man schon im Gegenwartsstaate für die Arbeiter Fortschritte herauszuholen habe. Die ganze Reichstagstätigkeit der Partei sei doch darauf zugeschnitten; es handle sich nicht darum, ob, sondern wie man praktische Politik treibt. In Baden treibe man verkehrte praktische Politik. Man habe das Opfer der Preisgabe der republikanischen Gesinnung gebracht durch Teilnahme an höfischen Zeremonien. Und damit kommt Rednerin endlich auf das gestellte Thema „Monarchie“ zu sprechen. Der Monarchismus in Deutschland sei die zusammengefaßte Reaktion, das Überbleibsel aus der Feudalzeit. Ein sozialdemokratischer Abgeordneter habe als Vertreter der untersten Schichten nichts bei monarchischen Demonstrationen zu tun. In der Sozialdemokratie müsse die Disziplin unbedingt aufrechterhalten werden; dies sei kein Kadavergehorsam und nicht mit der militärischen Disziplin zu vergleichen. Denn die Beschlüsse der Partei seien aus freien Entschließungen der gewählten Parteiinstanzen hervorgegangen. Es wäre verbrecherische Torheit, die Disziplin zu lockern. Die Abgeordneten hätten in der Disziplin als Vorbilder zu dienen. Rednerin zieht Vergleiche mit den Streikbrechern der Gewerkschaften. Die Partei verlange von den 17 Abgeordneten kein Opfer der Verbiegung ihrer Überzeugung, aber Ehrenmänner müssen von selbst zurücktreten, wenn sie nicht mehr mit der Mehrheit ihrer Auftraggeber übereinstimmen. Man dürfe nicht in jedem deutschen Staate eigene Politik treiben, sonst sehe es bald aus wie bei der Partei Drehscheibe.[2] Der Magdeburger Parteitag dürfe nicht um eines Haares Breite von früheren Beschlüssen abweichen, sonst führe der Weg in den Abgrund. Nicht Baden, sondern ganz Deutschland sei für die Sozialdemokratie maßgebend. (Großer Beifall.)

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[1] Siehe Wilhelm Kolb: Die Taktik der badischen Sozialdemokratie und ihre Kritik, Karlsruhe 1910.

[2] Gemeint sind die Nationalliberalen.