Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 7.2, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2017, S. 1034

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Wesen nach verschiedene Parteien und deren reinliche Scheidung, sondern um verschiedene historische Tendenzen der modernen Arbeiterbewegung im ganzen.

Welche Tendenz Oberhand gewinnt, hängt vom jeweiligen Verhalten der Massen und dieses von dem Gang der Ereignisse und der weiteren Entwicklung der Dinge, nicht aber davon ab, unter welchem der beiden Banner heute mehr Mitglieder organisiert sind.

Die Bedeutung der Parteiorganisation für das politische Leben und für die Zukunft des Sozialismus darf in dem gegenwärtigen Stadium überhaupt nicht überschätzt werden; denn die sozialistische Partei führt gegenwärtig mehr oder minder eine Scheinexistenz. Das ist sowohl bei den Scheidemännern wie bei der Opposition der Fall. Und zwar deshalb, weil die Massen im eigentlichen Sinne dem Parteileben fernbleiben, seinen Kämpfen passiv und gleichgültig zuschauen. Die Parteiorganisation: Wahlvereine, Versammlungen, Wahlen der Funktionäre, Beiträge, Abonnement der Parteizeitung, Berichterstattungen, Resolutionen, – all dies ist bloß Apparat, Mittel zum Zweck: sozialistische Klassenpolitik zu führen. In demselben Augenblick, wo der Siegeslauf des Imperialismus die Verschärfung der Kriegsmethoden und die Kriegsvorbereitungen der amerikanischen Union – den völligen Bankrott des Sozialismus und des internationalen Proletariats als eines Machtfaktors besiegelt hat, wo somit die sozialistische Politik gar nicht mitzählt, ist sozialistische Organisation in gewissem Sinne leere Schale. Die Partei ist jetzt ihrem Charakter nach Konventikel und ihre internen Richtungskämpfe ein Froschmäusekrieg, solange die wirklichen Massen die Schicksale des Sozialismus ein paar Hunderten von Parteimitgliedern überlassen und ihrerseits keine aktive Politik gegen den Imperialismus treiben. Der Belagerungszustand, der als äußeres Hindernis für das Verhalten einer Handvoll aktiver Parteimitglieder maßgebend sein mag, ist zur Erklärung des Verhaltens der Massen um so weniger tauglich, als sein Fortbestehen umgekehrt selbst ein Resultat der Passivität der Volksmassen ist.

Die Opposition der Arbeitsgemeinschaft, die auch hier die Gebrechen der offiziellen Partei wie sie vor dem Kriege war, getreu fortleben läßt, verwechselt Mittel mit Zweck, pflegt das Organisationsleben als Selbstzweck, betrachtet demgemäß die ausgefahrenen Geleise der Versammlungen von ein paar hundert Mitgliedern und die Annahme von Resolutionen, die der Rechten oder der Opposition zustimmen, als Parteileben im eigentlichen Sinne und glaubt auf dem Fundament solcher Zustimmungsresolutionen eine lebensfähige Partei errichten zu können. Die Arbeitsgemeinschaft merkt nicht, daß sie, indem sie auch hier einfach die Methoden, wie sie

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