Kaum aber hat die Regierung den Krieg bis aufs Messer, d. h. den rücksichtslosen U-Boot-Krieg[1] verkündet, als die eben noch wild tobenden Berserker zu Staatsmännern der abgeklärtesten Besonnenheit werden. Bei aller sonstigen Unwissenheit wissen die Scheidemann und Stampfer doch soviel, daß der U-Boot-Krieg eine zweischneidige Waffe ist, die zu Verwicklungen mit den neutralen Staaten führen wird, und so kratzen sie sich bedenklich hinter den Ohren: „Verantwortung trägt sie“ – nämlich die sozialdemokratische Partei – „nur für ihre eigenen Taten; für die Taten der Regierung aber nur insoweit, als sie von ihr zuvor verlangt und nachher in Wort und Schrift gebilligt worden sind. … Der Teilung der Gewalten, wie wir sie im Reiche haben, entspricht auch eine Teilung der Verantwortlichkeiten. Auch hier muß es heißen: Jedem das Seine!“[2]
Jawohl, jedem das Seine und Euch biederen Gevattern – doch bleiben wir höflich und sagen wir nur: Euch zahlt heute jeder treue Sozialdemokrat in derselben Münze, worin Euch morgen die Regierung zahlen wird. Und zwar beide Male: Von Rechtswegen!
Der Kampf (Duisburg),
Nr. 36 vom 10. Februar 1917.
[1] In der Quelle: Tauchbootkrieg. – Deutschland hatte am 1. Februar 1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg begonnen, durch den alle Schiffe in einem festgelegten Seegebiet um England und Frankreich durch warnungslose Torpedierungen bedroht wurden.
[2] Der Vorwärts (Berlin) lehnte in seiner Nr. 31 vom 1. Februar 1917 eine Mitverantwortung für die Regierungsentscheidung zum uneingeschränkten U-Boot-Krieg ab. In der Sitzung des Haushaltsausschusses des Reichstages am 1. Februar 1917 charakterisierte Eduard David als Vertreter der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion „die Ankündigung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges als die folgenschwerste Entscheidung in diesem Kriege, für die die Verantwortung allein von den Männern getragen werden müsse, die sie gefällt hätten.“ Siehe Der Hauptausschuß des Deutschen Reichstags 1915–1918. Eingeleitet von Reinhard Schiffer. Bearbeitet von Reinhard Schiffer und Manfred Koch in Verbindung mit Hans Boldt. Dritter Band, 118.–190. Sitzung 1917, Düsseldorf 1981, S. 1101. Die Rede Davids wurde vom Vorstand der Fraktion als streng vertrauliche Information an alle Vertrauensleute zur eigenen Orientierung versandt. Siehe Philipp Scheidemann: Der Zusammenbruch, Berlin 1921, S. 51–56. – In der Volkswacht (Breslau), Nr. 28 vom 2. Februar 1917, widerspiegelte sich das wie folgt: „Die Sozialdemokraten stehen der neuen Lage frei und unbefangen gegenüber. Es ist nicht unsere Aufgabe, allemal mit Mund und Hand Beifall zu spenden, wenn der Reichskanzler gesprochen hat, denn wir sind nicht regierende Partei, und der Kanzler ist nicht unser Parteiminister. Niemand in der Partei verkennt die ungeheure Schwierigkeit der Situation, und die Wucht der Verantwortung, die auf der Reichsleitung lastet. Niemand verkennt den Stimmungsumschwung, der im Volke durch die Ablehnung des deutschen Friedensangebots, durch die Enthüllung der feindlichen Absichten und – zuletzt nicht zumindest – durch die steigenden Schwierigkeiten der Volksernährung eingetreten ist. […] Aber wir dürfen über den tatsächlichen Einfluß, den die Sozialdemokratie übt und über das Maß der Verantwortung, die sie demzufolge trägt, keinen Irrtum aufkommen lassen. Die Verantwortung trägt die Regierung, Kritik zu üben ist die Aufgabe der Parteien, die aus bestimmten Gründen vertagt werden muß.“